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Gestatten, Walter Sittler. Der Schauspieler und Stuttgart-21-Aktivist tourt seit 2006 mit zwei Erich-Kästner-Programmen durch die Lande.

© Promo/Jim Rakete

Neues Bühnenprogramm: Walter Sittler zieht den Hut vor Erich Kästner

Walter Sittler fühlt sich verpflichtet, ein aktives Mitglied der Gesellschaft zu sein. Deswegen schreibt der Grimmepreisträger in seinem neuen Bühnenprogramm das Schauspiel genauso groß wie den Protest. Der nächste Dauerbrenner?

Er lässt nicht locker. Bei Stuttgart 21 nicht und bei Erich Kästner genauso wenig. Der Schauspieler Walter Sittler beginnt dieses Jahr so, wie er das vergangene beendet hat: als prominenter Protestierer gegen das Bahnhofsbauprojekt in Stuttgart und als Reisender in Sachen Erich Kästner. Vor sechs Wochen hat er im Admiralspalast mit seinem preisgekrönten Dauerbrenner „Als ich ein kleiner Junge war“ gastiert. Jetzt ist er ab Donnerstag mit dem schon fast ebenso erfolgreichen Anschlussprogramm „Vom Kleinmaleins des Seins“ wieder da.

Höchste Zeit also, den Grimmepreisträger Sittler, der seit Fernsehserien wie „Girlfriends“ und „Nikola“ zum führenden deutschen Frauenschwarm der Kategorie „nobler Graukopf“ avancierte, mal zu Hause in Stuttgart-Möhringen anzurufen. Da rieselt der Regen aus grauem Himmel, erzählt Sittler in sympathisch weichem Tenor und gibt ein paar Grundsatzerklärungen ab: Erstens sei und bleibe er Erich-Kästner-Maniac, der werde immer noch unterschätzt im Lande. Zweitens habe das Projekt Stuttgart 21 durch die Volksabstimmung nicht an Güte gewonnen, „das ist der gleiche Murks wie vorher“. Und drittens fühle er sich als Schauspieler wie Steuerzahler verpflichtet, ein aktives Mitglied der Gesellschaft zu sein. Und die Mechanismen, die regierten, hätten sich seit Kästners im Berlin der Weimarer Republik entstandenen Texten nicht groß verändert. Nämlich? „Es geht ums Geld und ums Rechthaben und um politische Eitelkeiten“, sagt Sittler. Nur um die Menschen, um die ginge es nicht.

Das Statement hätte dem scharfsinnigen Zeitkritiker Kästner, dessen Leben nach 1919 sich „Vom Kleinmaleins des Seins“ in einer von Musik untermalten, eher gespielten als rezitierten Textcollage aus Gedichten, Briefen und Kurzgeschichten widmet, sicher gefallen. Dann liebt Sittler also Kästner, weil er so ein Moralist wie er selber ist? Da protestiert der Schauspieler höflich, aber heftig. „Kästner gibt so gut wie nie vor, wie man leben soll, er sagt nur, wie das Leben ist.“ Wenn überhaupt eine Kategorie herhalten müsse, dann sei der Schriftsteller ein radikaler Humanist. Und zwar mit einer klaren Sicht auf die Welt: analytisch, aber nicht kalt. „Er weiß um den Schmerz des Lebens und will, dass trotzdem heiter gelebt wird.“ Auch und gerade im Scheitern, zu dem sich Sittler als Politaktivist wie auch als Schauspieler fast begeistert bekennt. „Auch Gewinner scheitern, das ist nicht schlimm. Man muss sich Verletzungen zuziehen, so bleibt man weich in den Knien.“

Vom Berliner Lebensgefühl, das der in Dresden geborene Erich Kästner (1899– 1974) in seinen Texten beschreibt, ist sein Interpret Walter Sittler noch immer beeindruckt. „Berlin hat immer noch den Schmutz, die Geschwindigkeit, die Erotik einer Großstadt.“ Hier müsse man schneller im Kopf sein als in Stuttgart, sinniert Walter Sittler. Oder einfach nur weicher in den Knien?

Admiralspalast, Do 19.1.–Sa 21.1., Karten ab 25,40 Euro bei der Tagesspiegel-Theaterkasse unter Tel. 29 0 21 - 521, Mo–Fr 7.30 Uhr bis 20 Uhr, Sa/So 8–12 Uhr

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