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So soll das neue Hochhaus aussehen.

© Simulation: UTB Berlin

„Leuchtturmprojekt für alternative Stadtplanung“: Neues Hochhaus in Kreuzberg geplant

100 Meter hoch, eine Dachterrasse und 30 Stockwerke: In Kreuzberg soll ein neues Hochhaus entstehen – mit Wohnraum für alle.

100 Meter hoch, ein offenes Treppenhaus für alle bis zur Dachterrasse im 30 Stock. Durch den "vertikalen Kiez" könnte in etwa fünf Jahren der Kreuzberger Volkslauf stattfinden. Sicher wird es Wohnungen für alle geben: Für Sozialhilfeempfänger, für Erben mit Geld für eine eigene Wohnung sowie für eine Genossenschaft mit vielen Mitgliedern - in Kreuzberg entsteht an der Schöneberger Straße 21A / 22 das Modellhochhaus dieser Koalition, die R2G-Scheibe gleichsam.

Wohlwollen signalisierten jedenfalls Senatsbaudirektorin Regula Lüscher und Bauststadtrat Florian Schmidt (Grüne) am Montagnachmittag im Baukollegium zu den Plänen von Bauherr Thomas Bestgen und seiner UTB Projektmanagement. Kostenpunkt: um die 90 Millionen Euro. Bestgen nannte am Rande der Veranstaltung seinen Plan augenzwinkernd den "Anti-Amazon"-Turm in Anspielung auf den vergangene Woche tobenden Streit um die Hochhauspläne an der Warschauer Straße. Diese waren gleich vier Mal im Baukollegium durchgefallen - worauf das Gremium entnervt jede weitere Befassung ablehnte.

Wie gelingt es als Bauherr diese Hürde zu nehmen? Bestgen vertritt seit Jahren die Idee der gemischten Stadt und richtet seine Bauvorhaben konsequent darauf aus: Keine Mauern und Zäune rund um die Grundstücke, günstige Mieten finanziert über den Verkauf von Eigentumswohnungen, großzügige Gemeinschaftsflächen für alle im Erdgeschoss und auf mehreren Zwischenetagen. Das rechne sich trotzdem, denn er arbeite "nicht mit Wagniskapital", das viel Zinsen kostet und die Baukosten in die Höhe treibt. Und weil er von der ersten Idee an das Gespräch mit Bezirk und Senat sucht. Auch zeigt er sich immer kompromissbereit. Zum Beispiel im Gespräch mit der benachbarten Schule, wo er die Nachteile des Schattenwurfs durch Angebote im Gebäude ausgleichen will.

Das kommt auch in der Bezirksverordnetenversammlung gut an, die andere Investoren hinter vorgehaltener Hand schon mal "Tollhaus" schimpfen wegen Zwischenrufe, Proteste und teils chaotischem Verlauf. Aber auch Lothar Jösting-Schüszler von der Linken im Bezirk lobt nach dem Baukollegium die "Grundidee der Mischung", es sei eben "kein gewöhnliches Hochhaus", sondern erfülle die Forderungen des "Kooperativen Baulandmodells" vom Senat, das Quoten bezahlbaren Wohnraums fordert. Deshalb sei auch die Stimmung in der BVV wohlwollend gewesen, als es vor kurzem dort verhandelt wurde. "Wir sind jedenfalls heil wieder rausgekommen", sagt Bauherr Bestgen augenzwinkernd.

Im Baukollegium sprach Baustadtrat Schmidt sogar von einem "Symbol" und einem "Leuchtturmprojekt für die alternative Stadtplanung". Senatsbaudirektorin Regula Lüscher formuliert zurückhaltender, lobte aber auch den "großen Mehrwert" des Gebäudes. Sie betont, dass das "Programm" des Gebäudes dem Gremium wichtig ist - dass eine Immobilie für die Stadt und ihre Menschen etwas leistet, könnte man das auch übersetzen. In diesem Fall ist es etwa ein Drittel landeseigene Wohnungen für die Gewobag, was die Ziele des Senats den öffentlichen Bestand zu "leistbaren Mieten" bedient.

Viele Begegnungszonen auf den privat-öffentlichen Flächen sind geplant

Aber auch die "Belebung" des Quartiers, die sich die Juroren von dem Haus erhoffen: weil sich die Anwohner auf den privat-öffentlichen Flächen drinnen und draußen treffen, auf der Dachterasse - "kostet kein Eintritt", verspricht der Bauherr - oder in den Atrien.

Ein Hochhaus im Bezirk von Investoren-Schreck Schmidt, der als Störer und Zerstörer gilt, oder etwa nicht? "Nein im Gegenteil, wir arbeiten mit vielen privaten Investoren sehr gut zusammen und oft gelingt es uns Gemeinwohl und Gewinninteressen zu vereinbaren", sagt er am Rande der Veranstaltung. Und was muss der Bauherr dafür leisten? "Bereit sein, sich für neue Kooperationsformen zu öffnen, denn dann können gute Projekte entstehen". Die guten Beispiel, die es dafür im Bezirk gebe, erregten aber leider weniger Aufmerksamkeit als die vereinzelten Problemfälle.

Für die "R2G-Wohnscheibe" ist die Sitzung des Baukollegiums der Startschuss - viel Arbeit bleibt trotzdem. Gerkan Marg und Partner sind als Architekten bei der UTB im Boot - Lüscher wünscht sich einen Wettbewerb mit mehreren Baumeistern. Der gegenwärtige Entwurf ist eine gewaltige Scheibe, hier wünscht sich das Baukollegium eine Auflockerung. Trotzdem: In gut zwei Jahren sei die Erteilung der Baugenehnmigung möglich, glaubt Bestgen, in fünf Jahren könne der erste Kreuzberger Volkslauf stattfinden - unter dem Applaus der hunderte Mieter, Eigentümer und Genossen im aufgetürmten Kreuzberger Block.

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