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Neukölln: Anwohner von Straßenhändlern genervt - vor fünf Jahren

Vor fünf Jahren standen am Neuköllner Maybachufer die Straßenhändler mittlerweile fast jeden Tag. Das gab Reibereien mit den Anwohnern. Was Daniela Martens darüber schrieb.

So geht das nicht. Die Musik am Stand mit den Röcken muss abgestellt werden. Und zwar schnell. „Es soll alles ganz ruhig bleiben“, erklärt Rainer Perske – trotz der 136 Marktstände. Es ist Sonnabendvormittag, und gerade findet am Maybachufer zum ersten Mal der Markt „Neuköllner Stoff“ statt, organisiert von Perske.

„Anwohner und Märkte passen nicht so gut zusammen“, sagt Perske, der insgesamt elf Märkte in Berlin veranstaltet, davon acht in Neukölln. Am Maybachufer ist der Balanceakt gerade besonders heikel. Denn durch den neuen Markt werden in manchen Wochen bis zu vier Markttage zusammenkommen. „Neuköllner Stoff“ ist der dritte Markt, auf dem hier am Sonnabend oder Sonntag verkauft wird, „was man gerne haben möchte und genießen kann“, wie Perske sagt. Und dann ist da noch der traditionelle Wochenmarkt, dienstags und freitags, den Perske ebenfalls organisiert – seit fünf Jahren. Aus dem „Türkenmarkt“ hat er inzwischen den „Bioriental“ gemacht.

Das Maybachufer ist begehrt – kein Wunder. Schließlich ist es laut Perske der „schönste Platz Neuköllns“. Mit seiner Begeisterung ist er nicht allein: „Ich könnte mir keinen besseren Ort für meinen Markt vorstellen als hier unter den Bäumen am Wasser“, schwärmt auch Michael Groß. Er ist eigentlich Filmcutter, organisiert aber seit dem Sommer einmal pro Monat den „Flowmarkt“, auf dem Design und Trödel verkauft werden. Er wolle den neuen Markt nicht besuchen und auch nicht auf Perske treffen, sagt er am Freitag. Warum nicht? Er will nicht so direkt antworten. Nur so viel: Er hätte gern mit Perske zusammengearbeitet. Oder mit den beiden Designerinnen Chardia Budiman und Min-Wha Chung, die 2009 als erste einen Markt mit schönen Dingen am Maybachufer organisiert haben: „Sideseeing“. Aber keiner hatte viel für seinen Flohmarkt übrig. Der bediene nur das alte Klischee vom armen Neukölln, sagt Perske. Und Min-Wha Chung findet, Design und Trödel passe nicht zusammen, weil Kunden dann nicht bereit seien, „mehr als fünf Euro zu zahlen“.

„Der neue Markt ist ein Abklatsch davon, was die Mädels machen“, sagt Groß. Das sei schon Ordnung, erwidert Min-Wha Chung, die selbst erst im nächsten Jahr wieder einen Markt organisieren will: „Groß hat uns ja auch zum Vorbild genommen.“ Einmal mussten sie seinetwegen auf einen Markttag verzichten. Das Bezirksamt fand, es habe in jenem Monat schon genug Trubel gegeben.

Rainer Perske erzählt später, die Designerinnen hätten anfangs Vorbehalte gegen ihn gehabt. Inzwischen sieht Min-Wha Chung die Sache positiv: „Es gibt hier genug Platz für drei Konzepte.“ Und vor allem genug Kunden für Berlin-Fotos, Stoffe, geblümte und karierte Stofftiere und Kissen, Schmuck aus Kolumbien, Bio-Gemüse und kleine Leinwände, auf die „Liebe“ und „Glück“ gestickt ist. Hier wurde der Probelmbezirk zu einem Stück heile Welt. Oder auch: „Gentrifizierung hoch zehn“, wie eine Besucherin mit Ohrenklappenstrickmütze es nennt.

Am Espresso-Stand macht Charlotte Nowieku doppelt so viel Umsatz wie vor fünf Jahren, als sie auf dem Türkenmarkt anfing. Das hat sich herumgesprochen. Er habe für die beiden anderen Markttage oft vielen absagen müssen, sagt Perske. Jetzt zieht es viele Händler von anderen Märkten ans Maybachufer: Der Argentinier Quique del Bianco verkauft seine Fotomontagen mit Berlin-Motiven sonst im Mauerpark an Touristen. Und Bernd Koehlemann ist mit seinem sizilianischen Nougat vom Winterfeldtmarkt in Schöneberg nach Neukölln gewechselt.

„Es ist schön, Teil der Veränderungen hier zu sein“, sagt er. Andere sind weniger glücklich damit: „Ist hier jetzt etwa jeden Samstag Markt? Scheiße!“, schimpft Martin Kann. „Ich wohne hier. Das ist laut, und wo soll ich mit meinem Auto hin?“, beschwert sich der 29-jährige Eventmanager mit der modischen Golfkappe. „Mir reicht der Markt am Dienstag und Freitag vollkommen“, sagt eine Frau mit Hackenporsche und Kopftuch, die seit 30 Jahren am Maybachufer lebt und um den neuen Markt gerade einen großen Bogen macht: „Wir brauchen hier eher mehr Ruhe.“

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren"

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