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© David Baltzer, Agentur Zenit, Be

Nicht planmäßig: Stadtschloss ist kein Einzelfall

Die vorerst gestoppte Vergabe des Stadtschloss-Neubaus weckt Erinnerungen: Auch andere zentrale Bauprojekte liefen anders als geplant – wie der Reichstag oder die "Topographie des Terrors".

Das Stoppsignal vom Kartellamt kam überraschend. Doch manches Detail des Debakels um den Vertrag für den Wiederaufbau des Stadtschlosses kommt einem bekannt vor: Ein Wettbewerb, dessen Regeln unterlaufen werden. Ein Siegerarchitekt, der wichtige Arbeiten von anderen Büros ausführen lässt. Und ein Gebäude, das am Ende anders aussieht und mehr kostet als vom Architekten angekündigt.

Der Fall erinnert an Projekte wie den Umbau des Reichstages. Weltweit wird der Parlamentssitz wegen seiner markanten Glaskuppel als Meisterwerk gepriesen, Architekt Norman Foster gilt als Schöpfer dieses Wahrzeichens des wiedervereinigten Berlins. Dabei stammt die Idee gar nicht von ihm, im Gegenteil: Als Foster 1993 vom Bundestag den Zuschlag erhielt, war er gegen eine Kuppel und favorisierte im Siegerkonzept einen freistehenden Baldachin über dem Gebäude – ein Entwurf, den Kritiker als „Deutschlands größte Tankstelle“ verspotteten. Erst unter dem Druck der Politik ließ sich Foster auf eine Kuppel ein und legte auch den dann realisierten Vorschlag vor – der dem Entwurf seines Konkurrenten Santiago Calatrava frappierend ähnlich sah.

Aus Sicht von Experten wie Tillman Prinz, Geschäftsführer der Bundesarchitektenkammer, gibt es allerdings einen wichtigen Unterschied zwischen Bauten wie dem Reichstag und dem Schlossdebakel: Während beim Reichstag das Verfahren transparent war, sei dies beim Schloss bislang nicht der Fall, beklagt Prinz im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Ein ähnlich prominentes Bauwerk, dessen Entwicklung chaotisch war und bei dem der anfänglich erwählte Entwurf und das Ergebnis nur wenig miteinander zu tun haben, ist das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Hier hatten einst ein Kölner und ein Berliner Büro den Zuschlag bekommen, gebaut wurde das Monument aber nach Entwürfen des US-Architekten Peter Eisenman, die wiederum mehrfach verändert und durch externe Anregungen ergänzt wurden.

Ein anderes Beispiel, bei dem Kulturpolitiker wie Michael Braun (CDU) und Wolfgang Brauer (Linke) eine Parallele zum Schloss ziehen, ist die Sanierung der Staatsoper Unter den Linden. Hier hatte zwar der Architekt Klaus Roth den Architektenwettbewerb gewonnen. Da der Entwurf aus Sicht des Senats aber dem Denkmalschutz nicht gerecht wird, wurde die Sanierung kurzerhand neu ausgeschrieben, der Stuttgarter Architekt HG Merz bekam den Zuschlag für das Projekt, das aus Brauers Sicht finanziell nach wie vor „eine tickende Zeitbombe“ ist.

Grandios gescheitert war vorübergehend auch die „Topographie des Terrors“, die Dokumentationsstätte zum NS-Terror an der Niederkirchnerstraße. Während des Baus stiegen die Kosten für den Entwurf Peter Zumthors exorbitant, Berlin trennte sich von dem Architekten, ließ die bereits errichteten Treppentürme wieder abreißen und vergab 2005 den Auftrag erneut, diesmal an Ursula Wilms und Heinz W. Hallmann.

Sollte das Debakel ums Stadtschloss zu Verzögerungen und höheren Kosten führen, würde das aus Sicht von CDU-Politiker Braun „in die leidige Geschichte Berlins“ passen, wie sie in kleinerer Form auch das Kulturhaus Tempodrom symbolisiere, dessen Form und Kosten den einst vorgegebenen Rahmen sprengten.

Wie es zu solchen Fällen kommt, bekannte vor einiger Zeit Architekt Meinhard von Gerkan im Tempodrom-Ausschuss des Abgeordnetenhauses: Entwürfe würden von Architekten wider besseres Wissen so gestaltet, dass sie den Ausschreibungskriterien entsprechen, auch wenn die nicht eingehalten werden können. „Oft liegt es einfach daran, dass das politische Ziel nicht mit der Realität übereinstimmt.“

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