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In den Notunterkünften werden die Obdachlosen auch mit Essen versorgt.

© Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

Obdachlosenhilfe in Berlin: Notunterkünfte bereiten sich auf den Winter vor

Ab dem 1. November stehen in Berlin 1000 Nachtplätze zur Verfügung – für etwa 5000 Obdachlose in der Stadt. Die BVG will U-Bahnhöfe nun doch wieder öffnen.

Jede Nacht werden 121 Gäste erwartet. So viele Betten stehen im Haus in der Lehrter Straße, 200 Meter vom Hauptbahnhof entfernt, zur Verfügung. Sie sollen es natürlich schön haben, die Gäste. Deshalb stehen jetzt Gäste in einem vergrößerten Empfangsbereich, sie sitzen an neuen Tischen, sie können ihr Gepäck in einem vergrößerten Raum unterbringen und lagern, natürlich erhalten sie dafür einen Gepäckabschnitt.

Handys werden in Schalen gelagert, können aber natürlich auch aufgeladen werden. Sogar eine zusätzliche Haustür wurde eingebaut. Das Frühstück? Selbstverständlich gut und schmackhaft. Und manchmal taucht ein Gast mit seinem Haustier auf. Na und? Ist doch kein Problem. Dafür ist doch das Extrazimmer da, in dem können Tier und Herrchen gemeinsam schlafen.

„Wir kümmern uns um unsere Gäste“, sagt Ortrud Wohlwend, nicht ohne Stolz. Für ihre Gäste gibt es auch einen amtlichen Begriff: Menschen ohne festen Wohnsitz. Kurz gesagt: Obdachlose. Und Ortrud Wohlwend ist nicht die Pressesprecherin eines Hotels, sie vertritt die Stadtmission.

Seit 1. Oktober 500 Plätze zur Verfügung

Die Notunterkunft Lehrter Straße, betrieben von der Stadtmission, ist ein Kern des Netzwerks der Berliner Kältehilfe. 1000 Plätze bietet dieses Notsystem insgesamt in der Hauptstadt, das ein einziges Ziel hat: Obdachlose sollen nicht unter freiem Himmel erfrieren. Seit dem 1. Oktober stehen schon 500 Plätze zur Verfügung, die restlichen 500 Plätze sind ab dem 1. November frei. Bis Ende April finden Obdachlose so Schutz vor gefährlich kalten Temperaturen. 1000 Plätze, diese Zahl ist politisch vorgegeben – vor wenigen Jahren lag die Zahl noch bei 500. Elke Breitenbach (Linke), die Sozialsenatorin, achtet darauf, dass die Ärmsten der Armen versorgt werden. Wie viele Menschen derzeit in Berlin auf der Straße leben, ist nicht bekannt. Schätzungen gehen von 4000 bis 5000 aus.

Dieses Versorgungsnetz spannen große Einrichtungen wie die Stadtmission oder die Caritas, aber auch viele Kirchengemeinden beider Konfessionen und andere Einrichtungen. Viele Dutzend Ehrenamtler machen Frühstück, kochen, kümmern sich um kranke Menschen, sprechen mitfühlend mit den Gästen. Und einige fahren den Kältebus. Den können Menschen rufen, die sehen, dass ein Obdachloser unter der Kälte leidet und Hilfe benötigt. Die Nummer für den Kältebus lautet: (030) 810560425.

Die bedeutendste Anlaufstation der Kältehilfe ist die Lehrter Straße, schlicht, weil sie das breiteste Angebot besitzt. Die medizinische Betreuung ist enorm gut, weil es in dem Komplex eine Arztpraxis gibt und viele medizinische Kräfte zur Verfügung stehen. Vor allem aber, wichtigster Punkt, hier finden Rollstuhlfahrer Ruhe und Hilfe. Die Lehrter Straße bietet, was weder die Caritas noch andere Einrichtungen bieten können. „Mit Rollstuhlfahrern sind wir überfordert“, sagt Thomas Gleißner, der Sprecher der Caritas. „Unsere Helfer sind dafür nicht ausgebildet.“

Acht bis neun Plätze für Rollstuhlfahrer

Die stoßen sofort auf praktische Probleme: Wie fasst man einen kranken Rollstuhlfahrer fachgerecht an? Wie hebt man ihn aus dem Rollstuhl? Und welche Einrichtung hat schon eine behindertengerechte Dusche? Die steht nur in der Lehrter Straße. Rollstuhlfahrer sind für das Netzwerk das größte Problem. Maximal acht bis neun kann die Stadtmission täglich aufnehmen. Sie schlafen in einem Pflegezimmer der Ambulanz, sie werden geduscht und versorgt.

Aber wenn acht bis neun Rollstuhlfahrer das Maximum sind, dann bedeutet das auch, dass Rollstuhlfahrer in der Kälte bleiben müssen. „Ja“, sagt Ortrud Wohlwend, „es gibt welche, die müssen draußen schlafen.“ Vielleicht finden einige von ihnen Unterschlupf in der Nähe von Gleisen. Die BVG öffnet nun doch nachts bestimmte U-Bahnhöfe für Obdachlose. Aus hygienischen und Sicherheitsaspekten hatte sie es für diesen Winter ursprünglich abgelehnt.

Wer in Notunterkünften die Nacht verbringt, hat es erheblich gemütlicher. Die Stadtmission versorgt am S- und U-Bahnhof Frankfurter Allee in einer Traglufthalle täglich 120 Personen. Dort arbeiten medizinische Helfer, dort gibt es jeden Tag gutes Essen, wahlweise vegetarisch und mit Fleisch, eine Waschmaschine, Rasierschaum, Duschgel.

Ist eine Einrichtung voll, dann werden die Menschen nach Möglichkeit in Unterkünfte gefahren, die noch Plätze frei haben. Aber manche Obdachlose wollen gar nicht in die Wärme. „Die entscheiden sich bewusst, draußen zu schlafen“, sagt Ortrud Wohlwend. Entweder weil sie Angst hätten, sonst ihren Tagesplatz zu verlieren oder weil sie gut mit Schlafsack und warmer Kleidung ausgestattet seien.

Auch die Caritas bemüht sich um eine möglichst breit angelegte Hilfe. In ihren Unterkünften arbeiten Helfer, die verschiedene Sprachen beherrschen. Und Informationen sind mehrsprachig abgefasst.

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