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Berlin: Oberschöneweide liegt am Olymp

Drei Buchstaben stehen für athletische Höchstleistungen: FES. Die fünfzig Mitarbeiter des Instituts entwickeln Kajaks und Bobs für Spitzensportler. Auch in Athen sind sie wieder am Start

Birgit Fischer, Deutschlands erfolgreichste Kanutin, hat sich für die Olympischen Spiele in Athen eine glatte Schalensitzoberfläche gewünscht. Üblich ist eine aufgeraute Sitzfläche, aber bitte. Einem Mannschaftskollegen von Fischer schläft beim Paddeln immer der linke Fuß ein. Sein Sitz wird verkleinert. Ob ihm das hilft, muss man einfach ausprobieren, sagt Bootsbauer Veit Bartel. Er bastelt gerade an der Inneneinrichtung des 2er-Kajaks, Modell S. Sieht aus wie eine vergrößerte Erbsenhülse, ist aber ein nach allen Regeln der Ingenieurskunst ausgetüftelter Bootskörper aus Kohlenstofffasern. Man könnte sagen, es ist der schnellste je in Deutschland gebaute 2er-Kajak.

Das hier ist eine Medaillenschmiede: Ein weiß leuchtendes Bürogebäude in Oberschöneweide. Keine knallige Firmenwerbung am Eingang, nur drei Buchstaben: FES – Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten. Drinnen sitzen 50 Mitarbeiter und entwerfen dreidimensionale Computermodelle von Rodelschlitten, Fahrrädern, Schlittschuhkufen und Segelbooten. In den Werkstätten im Erdgeschoss werden dann echte Modelle aus Hartschaum gefräst und schließlich Prototypen gefertigt. Von der Idee bis zum Produkt – alles unter einem Dach. Jedes Sportgerät wird in Kleinstserien von drei bis fünf Stück gebaut und an die Sportverbände ausgeliehen. Verkauft wird nur in Ausnahmefällen. Die mühevoll entwickelten Unikate sollen nicht in die Hände der ausländischen Konkurrenz geraten. Das FES wird zu 90 Prozent vom Bundesinnenministerium finanziert. Seine Aufgabe ist, den deutschen Athleten durch bessere Technik einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. „Im Sport“, sagt FES-Chef Harald Schaale, „gibt es keine Chancengleichheit.“ Wer technisch nicht mithalten kann, braucht sich körperlich nicht erst anzustrengen.

Michael Nitsch ist Projektleiter für den Bobsport. Seine Schlitten sind zuletzt gut gelaufen. „Mit dem Vierer hat Andre Lange bei der WM Gold geholt, Sandra Prokoff mit dem Zweier Silber.“ Trotzdem arbeiten die FES-Forscher schon an einer neuen, noch schnelleren Bobgeneration für die Winterspiele 2006 in Turin. Ein Modell für den Windkanal-Test gibt es schon. Man darf es anschauen, aber nicht fotografieren. Sorgen bereitet dem FES vor allem das umfangreiche Reglement der Internationalen Verbände für Bob und Rodel. Weil die deutschen Fahrer meistens schneller unterwegs sind als der Rest der Welt, suchen nicht-deutsche Funktionäre gerne nach subtilen Bremsklötzchen. Für Turin hatten sich die FES-Ingenieure eine spezielle Kufen-Dämpfung ausgedacht. Dadurch fährt der Schlitten ruhiger und hält besser die Ideallinie. Die Dämpfung wurde untersagt. Die Ingenieure verlagerten sie zwischen Schlitten und Kufe und erhielten wieder eine Abfuhr. Nun müssen sie an anderen Stellschrauben drehen – am besten dort, wo es nicht auffällt. Die zweite schwer berechenbare Größe ist der Sportler selbst. Die Sportgeräte werden den Nutzern auf den Leib geschnitten. Schaale spricht von einem „System Mensch-Maschine“. Das FES ist in zwölf Sportdisziplinen aktiv. Für mehr reicht das Jahresbudget von 2,7 Millionen Euro nicht. „Wir haben mehr Anfragen als wir abarbeiten können“, sagt Schaale. In Japan habe ein ähnliches Institut aufgemacht, Jahresbudget 40 Millionen Dollar. Forschung kostet immer so viel Geld, wie der Geldgeber bereit ist hineinzustecken. Schaale hat gehört, die Entwicklung der neuen Mercedes-Scheibenwischer habe 50 Millionen Euro gekostet. Dafür könnte das FES den deutschen Rodelsport bis ans Ende des Jahrhunderts mit Rennschlitten ausrüsten.

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