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Ole von Beust, der ehemalige Hamburger Politiker in seinem Buero in Berlin.

© DAVIDS/Sven Darmer

Ole von Beust berät Berliner Union: „Antikommunismus ist ein Gen der CDU“

Hamburgs ehemaliger Bürgermeister will die CDU in Berlin hauptstädtischer machen. Sie brauche revolutionäre Ideen und soll sich für autofreie Zonen einsetzen.

Von Ronja Ringelstein

Ole von Beust hatte 2001 die ewig sozialdemokratische Stadt Hamburg von der SPD erobert. Bis 2010 war er Erster Bürgermeister von Hamburg. Heute ist er als Lobbyist und Politikberater tätig und berät vor den nächsten Abgeordentenhauswahlen 2021 die Hauptstadt-CDU. Im Interview spricht er über das Verhältnis der CDU zur Linkspartei, das schwierige Image und, wie es zu beseitigen wäre. Spekulationen nach einer eigenen Kandidatur als Regierender Bürgermeister erteilt er eine Absage.

Herr von Beust, Sie haben mal gesagt, Politiker könnte nachts die Frage wach halten: „Ist man in der öffentlichen Meinung grade Trottel oder Sieger?“ Wo steht da die Berliner CDU?
Sie ist auf dem Weg, Sieger zu werden – aber sie ist noch nicht da. Sie hat ein schwieriges Image. Wenn Sie mit Leuten sprechen, die mit Politik nichts zu tun haben, gilt die Berliner CDU immer noch als sehr west-berlinerisch und scheint bei den großstädtischen Themen nicht auf der Höhe der Zeit zu sein. Ich glaube aber, dass die Partei das erkannt hat und sich nun bemüht, dem Senat etwas entgegenzusetzen. Das dauert ein bisschen, aber einige Marken hat sie schon gesetzt.

Welche meinen Sie?
Zum Beispiel, dass sie nun den Antrag gestellt hat, dass die Lesben und Schwulen Union einen Status als Vereinigung bekommen soll. Das als Berliner CDU, die sich vor zweieinhalb Jahren noch gegen die Ehe für alle ausgesprochen hat. Da bewegt sich was in großstädtische Richtung. Der Berliner Senat bietet viele Angriffspunkte, und eine schwache Regierung nutzt immer der Opposition, dazu muss aber die eigene Stärke kommen, personell wie inhaltlich.

68,2 Prozent der Berliner sind nach neuesten Umfragen sehr unzufrieden mit dem rot-rot-grünen Senat. Wie kommt es, dass die CDU davon kaum profitiert?
Es ist als eine von mehreren Oppositionsparteien nicht einfach, sich zu profilieren. Wenn man die Arbeit der Regierung kritisiert, man sagt etwa, der Mietendeckel ist Mist, muss man auch ein Angebot machen, wie es besser geht: Verdichtung, Ausbau von Dachgeschossen, Beschleunigung von Baugenehmigungsverfahren, Senkung von Baukosten, Ausweisung von städtischen Brachflächen, Verhandlung mit dem Bund und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, damit sie Flächen zum Wohnungsbau freigeben. Dass die CDU da gute Antworten hat, ist in der Vergangenheit nicht sichtbar genug geworden. Ich hatte nach der Landesvorstandsklausur im September den Eindruck, dass das Problem erkannt wurde.

Im vergangenen Jahr wechselte die CDU-Fraktion ihren Vorsitzenden, dieses Jahr löste Kai Wegner Monika Grütters ab, die CDU schien in Personalien verstrickt.
Inzwischen scheint es doch weitgehend ruhig und vernünftig zuzugehen. Kai Wegner geht mit Verve und Humor an die Sache ran. Auch Burkard Dregger ist ein sehr sympathischer Typ. Dass sie in den eigenen Reihen immer Meckerer haben, kenne ich auch, das darf man nicht zu ernst nehmen. Wenn die beiden zusammenhalten – Partei und Fraktion – ist die Sache auf der sicheren Seite.

Sie haben 2001 in Hamburg die SPD nach 44 Jahren des Regierens abgelöst. Was muss die CDU hier tun, um zu schaffen, was Sie in Hamburg geschafft haben?
Um so etwas machen zu können, braucht es Dreierlei. Erstens: Glück. Zweitens: Die Regierung muss so schlecht sein, dass die Bevölkerung sie loswerden will. Da ist der Senat nah dran, glaube ich. Das Dritte: Die Wähler müssen einem die Kompetenz zusprechen, es besser machen zu können. Dafür muss die CDU in Oppositionszeiten auch mal Themen aufgreifen, die man ihr nicht zutraut. Bei mir war es damals eine relativ liberale Drogenpolitik: Alle Härte gegen die Dealer, aber alle Hilfe für die Süchtigen. Mit Einrichtung von Fixer-Stuben, Freigabe von Heroin-Ersatz durch die Stadt, damit die Leute aus der Szene rauskommen. Das war damals revolutionär. So etwas muss die CDU heute auch finden. Beispielsweise, bei aller Fixierung auf den Autoverkehr, in einigen Bereichen eine autofreie Stadt einzurichten.

Kai Wegner versucht gerade, das Image der „Autofahrerpartei“ von der CDU abzustreifen. Da kam auch gleich Protest aus den eigenen Reihen, die Angst haben, die Autofahrer-Wählerklientel zu vergraulen.
Ich glaube, die Zeiten, wo die CDU eine Autofahrerpartei sein sollte, sind vorbei. Ich fahre gerne Auto, aber sich in der Innenstadt mit dem Auto zu bewegen, ist nicht sinnvoll.

Steht die CDU als ausgewiesene konservative Partei nicht immer wieder vor dem Problem: Wie viel von dem Alten, den vermeintlich alten Werten, muss ich wahren und wo darf ich mich erneuern?
Ich zitiere Gorbatschow: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Das Leben ändert sich ja. Was für die CDU wichtig ist, sind die Basics wie Sicherheit und Ordnung, wirtschaftsfreundliche Politik, Gesetzestreue – aber ich muss die Antworten finden, die heute passen. Konservativ zu sein ist eine Grundhaltung, die besagt, die Dinge, die eine Gesellschaft zusammenhalten zu bewahren. Das heißt aber nicht, dass ich auf veränderte Anforderungen nicht reagiere. Wenn man bei allem bleibt, was man immer gesagt hat, kommt man nicht über 5 Prozent.

2008 schmiedeten Sie in Hamburg die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene. Wäre das in Berlin denkbar?
Natürlich ist das eine Option. Auch wenn die Parteien in Berlin inhaltlich derzeit weit voneinander entfernt zu sein scheinen: Ich muss nur wissen, ob ich regieren will oder nicht. Das ist eine strategische Entscheidung.

Zuletzt hat sich die Berliner CDU-Fraktion von der Linksfraktion stark distanziert. Glauben Sie, CDU-Wähler erwarten diese konsequente Ablehnung der Linken?
Die Wähler weniger als die Partei selbst. Vernünftig betrachtet könnte es möglich sein, mit der Linken auf gewissen Ebenen zusammenzuarbeiten. Aber Antikommunismus ist nun mal ein Gen der CDU. Auf Postkommunisten zuzugehen würde die eigene Partei zerreißen, deshalb kann man das nicht machen.

In einem Interview sprachen Sie den „Wunsch mancher Politiker nach einem Rechtsschwenk“ in der CDU an. Muss die CDU öfter mal den harten Hund spielen?
Ja. Die CDU ist immer dann stark gewesen, wenn sie ein breites Spektrum abgebildet hat. In der Zeit, als ich mich in der CDU sozialisiert habe, gab es für die Liberalen Rita Süssmuth, für die Sozialen Norbert Blüm, für die Rechten gab es Alfred Dregger und für die ganz Rechten Franz Josef Strauß, darüber schwebte gewissermaßen unverbindlich Helmuth Kohl. Volksparteien leben von der Vielfalt. Deshalb braucht die CDU durchaus auch Leute, die rechts argumentieren.

Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus verteilt derzeit recht drastische Pressemitteilungen. Beispiel: „Rigaer verkommt zum Ghetto der Gewalt“, der Mietendeckel sei ein „Schlag ins Gesicht“ der Mieter. Ist das eine ratsame Art der Kommunikation?
Ich rate immer zu einer Abgewogenheit und Gelassenheit in der Sprache und nicht zu einer Dramatisierung, weil die ohnehin keiner glaubt. Wem vertraut man denn? Dem lauten Marktschreier oder dem, der sich ruhig der Sache annimmt? Dramatisiertes Politdeutsch täuscht Stärke vor, in Wirklichkeit sind es nur Worthülsen.

Die CDU sucht nach dem nächsten Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl. Eventuell soll nach dem Bremer Modell einer von außen kommen, dabei wird auch ihr Name genannt.
Ich habe mich eingebracht in die Berliner CDU, habe diverse Veranstaltungen besucht, berate jetzt den Landesvorstand, einfach weil ich politisch interessiert bin und Berlin eine großartige Stadt ist. Es macht Spaß, Erfahrungen weiterzugeben. Wenn Leute daraus den Rückschluss ziehen, dass sie mich für geeignet halten, fühle ich mich geehrt, aber es entspricht nicht dem, was ich beruflich machen möchte. Ich habe hier mein Unternehmen mit 22 Leuten und das erfordert meine ganze Kraft.

Sie beraten die Berliner CDU bei der Gestaltung ihres nächsten Wahlprogramms. Wie bringen Sie sich da ein?
Ich bringe Erfahrungen ein, wie eine Großstadt tickt. Und will dabei helfen für Berlin eine langfristige Strategie zu entwickeln, wie wir in Hamburg damals die Strategie „Wachsende Stadt“ entwickelt haben. Ein Leitbild dient als Kompass. Es motiviert Stadt und Verwaltung, an langfristigen Zielen zu arbeiten.

Welches Leitbild passt zu Berlin heute?
Berlin könnte zeigen, wie eine europäische integrative Stadt aussieht. Sie haben in Asien und USA sehr kommerzielle Städte, da geht es eigentlich nur ums Geld. In der Mitte der Stadt teure Hochhäuser, die normalen Leute wohnen in der Peripherie, weil sie sich nichts anderes leisten können. Berlin könnte das Gegenmodell sein: Integration, Kulturangebot für alle, modernster ÖPNV, Digitalisierung. So sieht die Stadt aus, von der alle etwas haben. Berlin und Hamburg könnten auch viel mehr zusammen machen. Da habe ich eine Reihe von Ideen.

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