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Er wollte die Spiele: Senatskanzleichef Björn Böhning gab offenbar den entscheidenden Anstoß zur Stornierung einer Olympia-Anzeige im Tagesspiegel.

© Stephanie Pilick/dpa

Olympia-Kampagne Berlin: Offenbar ließ Senatskanzlei Anzeige im Tagesspiegel streichen

Olympia-Anzeigen? Hat Berlin Partner gesteuert, sagte Michael Müller. Jetzt stellt sich heraus: Die Senatskanzlei hatte den Hut auf. Demnach gab Björn Böhning den entscheidenden Anstoß.

„Wir wollen die Spiele“, forderten zum Jahresanfang Plakate und Anzeigen, am Ende vergeblich. Auch im Tagesspiegel wollte das Land – hier der Landessportbund – für Olympia in Berlin werben, doch zogen die Verantwortlichen den Auftrag im Februar kurzfristig zurück. Anders als bei der „Berliner Zeitung“, der „Morgenpost“, „B.Z.“ und „Berliner Kurier“. Eine Reaktion auf senatskritische Berichterstattung?

Für den damals neuen Regierenden Bürgermeister entwickelte sich der Fall zu einer ersten Belastungsprobe im Amt. Die Opposition hakte nach. Michael Müller wies die Vorwürfe vor dem Abgeordnetenhaus zurück: „Es gibt kein Belohnungs- und Bestrafungssystem durch Anzeigen“, sagte er damals und erklärte den Senat für entlastet. Denn vieles werde über die landeseigene Stadtwerber-Gesellschaft Berlin Partner gesteuert, „auch die Frage, wo welche Anzeigen geschaltet werden“.

Eine Aussage, die nicht lange hielt. Die auf rund 35.000 Euro kalkulierte Kampagne für die „Berliner Charta für Olympische und Paralympische Spiele“ sei zwischen Berlin Partner, Senat und Mitgliedern eines gemeinsamen „Steuerungskreises“ weiter abgestimmt und konkretisiert worden, hieß es später. Die Herausnahme des Tagesspiegels aus dem Kreis der beauftragten Blätter sei eine „gemeinsame Entscheidung“ gewesen, weil sich die Kampagne auf reichweitenstarke Medien fokussieren solle und der Tagesspiegel vorwiegend Meinungsbildner anspreche. Ungeeignet, so befand angeblich das Gremium.

Nunmehr liegen Erklärungen vor, die auch diesen Hergang in Zweifel ziehen. Danach war es anscheinend Senatskanzleichef Björn Böhning selbst, der bei einer „entscheidenden Telefonkonferenz“ Ende Januar den Beteiligten verkündete, dass der Tagesspiegel aus der Anzeigenplanung fliegen soll.

Böhning fasste "erstmalig" Diskussion zusammen

Wörtlich teilt die Senatskanzlei dazu jetzt Folgendes mit: „Nachdem das Für und Wider von verschiedenen Werbeaktionen sowie der Schaltung von Anzeigen in Printmedien diskutiert worden war, fasste der Chef der Senatskanzlei erstmalig das Ergebnis damit zusammen, dass es nicht sinnvoll und angesichts des insgesamt knappen Budgets auch nicht wirtschaftlich vertretbar sei, (…) in nicht reichweitenstarken Medien weitere Printanzeigen zu schalten, was auch für den Tagesspiegel gelte. Wer unter den zugeschalteten Teilnehmern dabei im Einzelnen welches Argument vorgebracht hat, ist nicht mehr erinnerlich.“

Da danach gefragt war, wer die Initiative zum Rauswurf des Tagesspiegels ergriffen hatte („erstmalig“), ergibt sich nunmehr ein anderes Bild. Nicht von Berlin Partner, sondern aus der Senatskanzlei kam offenbar die Festlegung, die Anzeige für den Tagesspiegel zu streichen. Ein Eindruck, den die Darstellung von Berlin Partner bekräftigt: Die Landesgesellschaft habe den Tagesspiegel „als ein zentrales Medium in Berlin“ zunächst in die Anzeigenplanung mit aufgenommen, angesichts der Budgetvorgaben „die Entscheidung der Herausnahme jedoch mitgetragen“.

Motive für die Stornierung bleiben offen

War es demnach doch im Ergebnis eine Entscheidung der Senatskanzlei? Die Angaben Michael Müllers im Landesparlament, die Stadtwerber von Berlin Partner hätten die Anzeigenvergabe in dem streitigen Fall gesteuert, wären demzufolge wohl nicht einmal die halbe Wahrheit. Der Bürgermeister soll es nicht besser gewusst haben, verteidigt ihn seine Senatskanzlei. „Michael Müller war in die Fragen der Mediaplanung nicht einbezogen. Er wurde über die Ergebnisse, nicht aber über die Details der Diskussion, informiert.“ Offen bleiben auch die Motive für das Storno. Gab es doch ein „Belohnungs- und Bestrafungssystem“? Gespart werden muss schließlich immer – das dürfte den Beteiligten bewusst gewesen sein, bevor sie in die Planung einstiegen.

Freiwillig haben sich die Beteiligten, einschließlich Böhning, nicht an die Vorgänge erinnert. Vielmehr musste der Tagesspiegel Antworten auf seine Anfragen erst vor dem Verwaltungsgericht durchsetzen. Die Senatskanzlei wollte sich zunächst damit herausreden, es lägen keine Protokolle zu den Telefonkonferenzen vor.

Seit einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg zum Fall der umstrittenen Bücher-Hilfen für Neuköllns Ex-Bürgermeister Buschkowsky steht allerdings fest, dass Behördenmitarbeiter ihr persönliches Wissen über dienstliche Vorgänge preisgeben müssen – auch ohne Protokolle oder andere Dokumente. Nachdem das Gericht unter Hinweis auf dieses Urteil darauf drang, sind Böhning und seinen Mitarbeitern ein paar Details des Geschehens offenbar wieder eingefallen.

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