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Am Tor zur Welt. Ob im Olympiastadion auch mal wieder die Weltspiele des Sports stattfinden werden, darüber streitet sich die Berliner Politik.

© Kai-Uwe Heinrich

Olympia und die Bürgerbeteiligung: Vorteil für die Koalition

Die Grünen fordern ein Beteiligungsgesetz, damit Bürger über Großprojekte wie Olympia abstimmen können. Konkrete eigene Vorschläge haben sie aber, wie auch der Rest der Opposition, nicht.

Von Sabine Beikler

Bei der von den Grünen für die gesamte Opposition am Donnerstag im Parlament beantragten Debatte über das Thema „Mehr Beteiligung und direkte Demokratie statt leerer Versprechen – nicht nur bei Olympia“ schnitten CDU und SPD inhaltlich besser ab als Grüne, Linke und Piraten. Grüne und Piraten monierten am Donnerstag im Parlament zwar mehrfach, dass die Koalition bisher noch kein Vorschläge für eine Beteiligung der Bürger an Großprojekten gemacht habe. Eigene Vorschläge unterbreitete die Opposition aber auch nicht. Und Grüne und Linke windeten sich, auf die im Rahmen der Aktuellen Stunde ebenfalls behandelten Resolutionen zu einer Olympiabewerbung inhaltlich einzugehen. Wie berichtet hatte die Koalition den von allen Sportpolitikern ausgearbeiteten Resolutionsentwurf ins Parlament eingebracht. Grüne und Piraten lehnten dann doch die Unterzeichnung ab – vorerst.

Die Beteiligung sei das Thema der Aktuellen Stunde, nicht „etwa Olympia“, sagte die Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek. Vier Monate nach dem Volksentscheid Tempelhof habe die Koalition „immer noch nicht den Schuss gehört“. Statt einer neuen Beteiligungskultur zu entwickeln würde nur die Einführung eines „Regierungsreferendums“ vorgeschlagen. „Worüber aber sollte der Bürger abstimmen?“

Hinter der SPD stehe die „Angst vor dem Machtverlust“. Durch eine „Stadtentwicklungspolitik von oben“ würden Bürger zu reinen Zaungästen degradiert. Berlin sei in Sachen Beteiligung „reines Entwicklungsland“. Bis heute habe man nicht mal den Ansatz, wie sich die Berliner beteiligen könnten.

Grüne sind sich über Olympia-Bewerbung nicht einig

Regierungsreferenden seien genau das Gegenteil von Bürgerbeteiligung. Digital verwertbare Instrumente sollten eingesetzt werden. Aber welche, das sagte Kapek auch nicht. „Wir brauchen eine neue Beteiligungskultur in Berlin", forderte Kapek. Die Fraktionschefin sprach sich für ein Berliner Beteiligungsgesetz aus, das auch das Wahlrecht und die Beteiligung an Volksabstimmungen ab 16 Jahren beinhalten solle. Ebenso müsse ein neues Transparenz- und Beteiligungsgesetz in Kraft treten. Dieses Gesetz fordern die Grünen seit 2012.

Kapek begründete, warum die Grünen eine bereits gemeinsam ausgearbeitete Resolution nicht unterschreiben könnten, damit, dass „erst ein Beteiligungsgesetz vorgelegt werden muss. Einen Blankoscheck werden wir nicht unterschreiben“. Und einen „Zeitdruck“ gebe es auch nicht, ergänzte Grünen-Sportpolitikerin Anja Schillhaneck.

Diese Begründung ist nur die halbe Wahrheit. Denn die Grünen-Fraktion ist sich in der Frage pro oder kontra Olympiabewerbung nicht einig. Der Friedrichshain-Kreuzberger Kreisverband hat auch einen Antrag „Olympia in Berlin – ohne uns“ auf dem Landesparteitag am 11. Oktober eingebracht. Mittlerweile liegt ein weiterer Antrag vor, der von den Berliner Bundestagsabgeordneten Renate Künast und Özcan Mutlu mitunterzeichnet wurde. Dieser Antrag nimmt eine offenere Position ein und führt Bedingungen für Olympia auf wie IOC-Reform, Nachhaltigkeit und gesicherte Finanzierung. Vermutlich werden die Delegierten mehrheitlich für diese Position stimmen und Olympia nicht kategorisch ablehnen. Dann könnte es sein, dass die Grünen-Fraktion doch noch umschwenkt und einer gemeinsamen Resolution zustimmt.

Eine schwache Vorstellung gab der inzwischen parteilose Simon Weiß für die Piraten. Weiß lamentierte, dass die Koalition nicht über Beteiligungskonzepte sprechen wolle. Der Abgeordnete formulierte Fragen, was zum Beispiel eine verbindliche Befragung sei, wie sie ohne gesetzlichen Rahmen funktionieren solle, gab darauf aber selbst keine Antworten.

Parlamentspräsident Ralf Wieland wies das Plenum darauf hin, dass neben der Aktuellen Stunde auch diese zwei Resolutionen zu Olympia inhaltlich behandelt werden. Insofern sei es zulässig, dass die Koalition sich mit dem Thema Olympia befasse. Das tat im Übrigen auch die Linke.

Linke: Nur Wowereit hängt sich für Olympia rein

Linksfraktionschef Udo Wolf stichelte, dass von den „sozialdemokratischen Spitzen“ sich nur der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) inhaltlich für Olympia „reinhängt“. Von den Anwärtern auf die Wowereit-Nachfolge, Fraktionschef Raed Saleh und Parteichef Jan Stöß, würde man nicht so viel Olympia-Begeisterung vernehmen.

Die Koalition müsse die Frage ernst nehmen, wie man Bürger beteiligen könne statt den „Floskelgenerator mit Phrasen aus dem Buch der guten Absicht“ zu bemühen. In der von der Koalition eingebrachten Resolution stünde „kein Satz“, wie man eine Bürgerbeteiligung machen könne. „Sie sind vollständig blockiert“, sagte Wolf. Die CDU wolle keine Verfassungsänderung. Nur:  „Wenn man über eine Olympiabewerbung abstimmen lassen will, muss man Verfassung ändern.“ Einen „Volksentscheid von oben, eine gesetzlich unverbindliche Abstimmung“ mache die Linke nicht mit.  Sollte die Koalition „die Verfassung austricksen wollen, läuft das nicht mit uns“. Um eine seriöse Abstimmung durchzuführen, müsse die Koalition einen Vorschlag zur Verfassungsänderung vorlegen. Wolf sagte, er finde als aktiver Sportler die „Olympische Idee nicht so übel. Aber ich habe Probleme mit der olympischen Praxis“. Die Linke hat eine eigene Resolution ins Parlament eingebracht, in der sie unter anderem eine solide Finanzierung fordert.

„Leicht geärgert“ hat sich Sportsenator Frank Henkel (CDU) über Grünen-Fraktionschefin Kapek, wie er sagte. Man würde in Sachen Beteiligung nicht bei Null anfangen. In den Redebeiträgen der Opposition habe man „viele Zweifel“ gehört, aber „wenig Mut, wenig Engagement“. Henkel möchte die Olympia-Debatte nutzen, um  über die „Identität der Stadt“ zu diskutieren. Wo solle Berlin in zehn bis 15 Jahren stehen? „Olympia kann eine Vision sein, an der sich Berlin orientiert“, sagte er. Berlin könne ein guter Gastgeber sein und „demokratische Spiele“ anbieten, die zu dieser Stadt passen würden. Aber das  müsse von einem „breiten Bündnis“ getragen werden. Dass Grüne und Piraten den „Gesprächsfaden“ aufrecht erhalten, sei zu begrüßen. Doch  nur auf den Senat zu zeigen und zu fordern, er müsse liefern, das sei zu wenig. Die Frage sei nicht beantwortet, welche Visionen die Opposition habe, und welche Beteiligungsformen sie sich vorstelle.

SPD-Politiker Buchner: Berlin hat beste Chancen

„Wir wollen eine echte Beteiligung“, sagte Henkel. Man plane „neue Formate“ der Bürgerbeteiligung. Sobald sich der DOSB für eine Bewerbung von Berlin entschieden habe, „wird die konkrete Planungsphase beginnen“. Aber erst nach einem Beteiligungsprozess sei eine Abstimmung sinvoll. Eine verbindliche Volksbefragung sehe die Verfassung derzeit nicht vor. „Es liegt in Ihrer Hand, uns das Instrument in die Hand zu geben. Dazu müssten sich die Fraktionen verständigen“, sagte Henkel. Er wolle jedoch „keine Lex Olympia schaffen“, sondern eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Thema Bürgerbeteiligung.

SPD-Sportpolitiker Dennis Buchner betonte, Berlin habe die besten Chancen, sich international in einer Olympia-Bewerbung durchzusetzen. Berlin sei eine der größten Sportmetropolen der Welt. Jetzt müsse die Frage geklärt werden, ob Berlin die Spiele ausrichten wolle. In der Resolution sei eine Abstimmung der Bürger festgeschrieben. „Mehr Beteiligung geht nicht.“ Eine schriftliche Befragung könnte ein geeigneter Weg sein. Der CDU-Sportpolitiker Tim-Christopher Zeelen erwähnte die Online-Umfrage des Senats, mit der eine Diskussion über das beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) vorliegende Konzept möglich wäre. Zeelen forderte eine  „solide Finanzierung unter Einbindung des Bundes ohne weitere Verschuldung der Stadt“ und die Einhaltung der Grundsätze einer transparenten Olympiabewerbung.

Die Koalition hat eine Sondersitzung des Sportausschusses beantragt, in der über die Resolution debattiert werden soll. Diese wird ebenfalls im Hauptausschuss behandelt und soll am 16. Oktober im Abgeordnetenhaus verabschiedet werden – mit oder ohne Stimmen der Grünen und Piraten.

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