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Operntickets: Musik für Millionen

Bis zu 186 Euro beträgt der Zuschuss, den der Staat pro Opernkarte zahlt. Ist das in Ordnung? Ein Pro und Contra.

186 Euro und zehn Cent. So viel würde wahrscheinlich niemand für „Tosca“ oder „Parsifal“ zahlen. Einer tut es aber: der Staat. Genau so viel hat er 2009 bei jedem Besucher draufgelegt, der sich eine Karte für die Staatsoper gekauft hat. Das geht aus einer Vorlage des Hauptausschusses des Abgeordnetenhauses hervor. Bei den anderen beiden Häusern waren die Subventionen nicht viel geringer: 181,10 Euro pro Platz an der Komischen und 171,40 Euro an der Deutschen Oper. Zum Vergleich: Die Deutsche Oper am Rhein kommt nach Angaben des Steuerzahlerbundes mit 125 Euro Zuschuss pro Besucher aus.

Die drei Berliner Häuser liegen an der Spitze, was die öffentliche Förderung von Kultureinrichtungen in der Hauptstadt betrifft. Warum das so ist? Die Oper ist ein hochkomplexes System, dessen Kern darin besteht, die Künste – Musik, Schauspiel, Text, Gesang, Tanz, Kostüme, Bühnenbild – zu dem zu verschmelzen, was Richard Wagner das „Gesamtkunstwerk“ nannte. Dazu braucht es einen Apparat aus hoch spezialisierten Profis (Orchestermusiker, Sänger, Regisseure, Bühnentechniker, Maskenbildner, Chor, Verwaltung). Das Dilemma ist, dass sich der Apparat auch nicht weiter verkleinern lässt. Man kann Wagner mit 70 oder sogar 50 Musikern spielen, nur ist es dann kein Wagner mehr. Anders als in der Wirtschaft gibt es in den Künsten keine Produktivitätssteigerung durch technische Innovation – weil sie von Menschen, von Handwerkern gemacht wird, die sich nicht durch Maschinen ersetzen lassen. Der Wert von Oper ist immateriell und nicht in Euro messbar.

Dass Theater in Deutschland so stark subventioniert werden, ist politisch ein Erbe der Kleinstaaterei und geistig ein Erbe der Romantiker. Die haben die Autonomie der Kunst propagiert, waren also der Überzeugung, dass Kunst nicht nützlich zu sein hat und deshalb auch nicht primär Geld einspielen muss. Als die vielen Theater in der Weimarer Republik vom Staat übernommen wurden, lautete der Deal: Die Steuern sind hoch, dafür garantieren wir die Freiheit der Kunst an den Bühnen. In den USA ist es umgekehrt. Dort sind die Steuern niedrig, die Häuser sind auf mächtige private Spender angewiesen, der Mut zum Experiment entsprechend gering. Das kann durchaus darauf hinauslaufen, nur noch „Carmen“ und „La Traviata“ spielen zu können, sagte unlängst selbst Peter Gelb, der Intendant der Metropolitan Opera in New York.

In der Berliner Politik scheinen sich Regierung und Opposition einig zu sein über die Notwendigkeit von Subventionen. „Oper ist die komplexeste Kunstform, die es gibt“, sagt Alice Ströver (Bündnis 90/Grüne), die Vorsitzende des Kulturausschusses im Abgeordnetenhaus. „Die wenigsten wissen etwa, dass an einem Opernhaus rund 700 Menschen arbeiten.“ Sie ist eine große Befürworterin öffentlicher Förderung. Allerdings nehmen die drei Opern mit 121 Millionen Euro ein Drittel des Berliner Kulturhaushaltes in Anspruch. Dafür erwartet Ströver auch ein umfassendes Repertoire und hochwertige Inszenierungen – an denen es häufig mangeln würde. Außerdem gingen viele Karten zu billig weg: „Ich werde immer für die Drei-Euro-Tickets für Bedürftige eintreten. Aber es kann nicht sein, dass eine Premiere Last Minute für zehn Euro zu haben ist. Wir brauchen ein neues Gefühl für die Wertigkeit von Opernkarten.“

Wolfgang Brauer, der kulturpolitische Sprecher der mitregierenden Linken, sieht die Sache nüchtern. Natürlich seien die Häuser klug beraten, genau auf ihre Ausgaben zu schauen. „Aber Subventionen werden – auch in dieser Höhe – immer nötig sein, denn Oper ist nun mal das teuerste Kunstprodukt.“ Der Zugang breiter Bevölkerungsschichten müsse aber garantiert bleiben. Was passiert, wenn die Zuschüsse signifikant nach unten und die Preise nach oben gefahren würden, weiß er: „Dann wird sich an den Opernhäusern nur noch eine bildungsferne Geldschickeria tummeln.“

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