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Berlin: Ost-West-Streit im Hauptstadtbezirk: Die drei Kandidaten ringen seit Monaten um den Sitz des Bürgermeisters

In fast einem halben Jahr ist es soweit: Die Bezirksverordneten in den neun neuen Großbezirken tagen gemeinsam, um Bürgermeister und Stadträte zu wählen. Spätestens am 1.

In fast einem halben Jahr ist es soweit: Die Bezirksverordneten in den neun neuen Großbezirken tagen gemeinsam, um Bürgermeister und Stadträte zu wählen. Spätestens am 1. Januar 2001 treten diese ihre Ämter an, womit die Bezirksfusion beendet wäre. Der Tagesspiegel beleuchtet, wie der Stand der Dinge ist. Dabei offenbaren sich nicht nur bürokratische, sondern auch viele menschliche Probleme.

Mit dem neuen Namen war man schnell bei der Sache. Schon Anfang Dezember hatten sich die drei Bezirke in der Mitte auf "Mitte" geeinigt. Zur Auswahl standen "Hauptstadtbezirk" und "Alt-Berlin", das eine war zu bürokratisch, und das andere klang nach Kneipe. Beim zweiten wichtigen Punkt der Vereinigung - Sitz der Bezirksverordnetenversammlung und des Bürgermeisters - haben sich die drei Partner nun jedoch gründlich verheddert. Ursprünglich sah der Fusionszeitplan eine Entscheidung im Januar vor, nun hat man es auf den April vertagt. Denn es gibt ein Patt unter den 14 Stadträten der seit Dezember 1999 gemeinsam tagenden Bezirksämter.

Die Stadträte von CDU und PDS sind für das Neue Stadthaus in Mitte, die der Grünen und der SPD für das Rathaus in Tiergarten. Oder, anders formuliert, der Osten ist für den Osten, der Westen für den Westen. Die Lösung wird wohl ein eher unattraktiver Kompromiss sein, glaubt Weddings Bürgermeister Hans Nisblé: die BVV tagt da, die Büros sind dort, und der Bürgermeister sitzt wieder ganz woanders. 20 der 23 Berliner Bezirke müssen sich zusammenschließen, doch in Mitte-Tiergarten-Wedding ist vieles besonders. "Mitte" entsteht aus drei Bezirken, zudem aus Ost und West - und "Hauptstadtbezirk" ist man obendrein. Deshalb gucken Land und auch der Bund etwas genauer hin.

Die politische Zusammensetzung ist ausgesprochen uneinheitlich. Von den 14 Stadträten sind je vier von SPD und CDU und je drei von PDS und Grünen. In der BVV sehen die Verhältnisse künftig so aus: CDU 35, SPD 25, PDS 14, Grüne 13. Die Republikaner stellen zwei Verordnete. Die für die Übergangsjahre 2001 bis 2004 mit 89 Köpfen sehr große BVV wird zum ersten Mal im Oktober tagen, um den Haushalt für 2001 festzulegen und das neue Bezirksamt zu wählen.

Bis dahin treffen sich die drei Bezirksämter jeden Monat. Zum Kennenlernen hatte man zunächst einmal drei Bezirksrundfahrten gemacht. Vielleicht wurde dabei die Grundlage für das recht harmonische Klima gelegt, das trotz der Gegensätze unter den Verantwortlichen herrscht. Denn abgesehen von der Rathausfrage sind die so unterschiedlichen Partner weiter als die anderen, nicht nur beim Namen. "Wir sind gut in der Spitzengruppe", meint Tiergartens bündnisgrüner Rathaus-Chef Jörn Jensen.

Wenig frischer Wind von außen

Die künftigen Leitungspositionen sollen im Mai ausgeschrieben werden - und zwar berlinweit. Das soll frischen Wind und auswärtige Kompetenz in die Verwaltung bringen. Allerdings würden wohl nur vier oder fünf der 20 Leitungspositionen "von außen" besetzt, meint Jensen. Ein wenig bange, bei der Auswahl durchzufallen, ist den derzeitigen Amtsleitern von Mitte. Denn sie bringen weniger Dienstjahre mit als ihre Kollegen aus dem Westen. Rechnerisch sinkt die Zahl der Leitungsstellen von knapp 120 auf 20. Viele Stellen in den Bezirken sind jedoch frei geworden und wurden nicht mehr neu besetzt. So ist der Leiter des Tiergartener Rechtsamtes vor zwei Jahren pensioniert worden, sein Vize vor einem Jahr. Seitdem holt sich der Bezirk Hilfe bei den künftigen Partnern. Die Zahl der Beschäftigten sinkt von zusammen 5500 auf künftig etwa 5000. Dieser zehnprozentige Abbau ist eine Senatsvorgabe.

Nur sechs Stadträte kommen durch

Knallhart ist das Auskegeln der Posten bei den 14 Stadträten. Nur sechs werden die Fusion im Amt, politisch, überleben. Je zwei stellen ab 2001 CDU und SPD, je einen die Grünen und die PDS. Rein rechnerisch hat also Mittes CDU-Bürgermeister Joachim Zeller die besten Karten. Tiergartens SPD-Baustadtrat Porath prophezeit: "Zeller will sich mit der PDS zum Bürgermeister wählen lassen." Kommt es so, dürfte das Bezirksamt so aussehen: Horst Porath (SPD, Bau), Jörn Jensen (Grüne, Bildung) und Lamprecht (CDU) aus Tiergarten, Jens Heuer (PDS, Finanzen). So weit pfeifen die Spatzen von allen drei Rathausdächen im Chor. Der zweite SPD-Stadtrat bleibt offen. Denn Weddings SPD-Bürgermeister Hans Nisblé will selbst Bürgermeister werden - ob er sich auch zum Stadtrat degradieren lassen würde, sagt er noch nicht, nur "schaun mer mal".

Die rechnerisch mögliche Variante, dass eine rot-rot-grüne Mehrheit den SPD-Mann Nisblé zum Bürgermeister wählt, gilt als wenig wahrscheinlich; noch unwahrscheinlicher ist ein grüner Rathauschef. Für gänzlich ausgeschlossen wird ein PDS-Mann an der Spitze des Hauptstadtbezirkes gehalten. Die SPD will am 15. April ihre Kandidaten küren. Da die Weddinger Sozialdemokraten beim Fusionsparteitag die absolute Mehrheit haben, ist Nisblé sicher dabei. "Kandidat für das Bürgermeisteramt ist Nisblé" - sagt Nisblé. Von den derzeit vier SPD-Stadträten hat nur Bernd Schimmler (Wedding, Bau) abgewinkt, der Sozialdemokrat in Mitte, Gerhard Keil, hat wohl nur wenig Chancen.

Klar ist die Lage im Stadtrats-Trio der Grünen Michael Wendt will nicht noch einmal antreten. "Ich habe vorher gesagt, dass ich nur das eine Jahr in Tiergarten aushelfe." Vorher war er zehn Jahre Dezernent in Neukölln, das reicht ihm. Und der Weddinger Rainer Sauter hat sich mit seiner Partei verkracht: "Ich möchte, aber ich darf nicht." Die Chancen für Jensen stehen deshalb gut. Der Mann hat nur ein Problem: "Es wäre mal eine grüne Frau an der Reihe", - sagt Michael Wendt. Derzeit sind die drei Stadträte der Grünen in Wedding und Tiergarten alle männlich.

Bei der CDU scheint alles auf Joachim Zeller und vermutlich Dirk Lamprecht aus Tiergarten hinauszulaufen. Weddings Sozialstadträtin Elke Gassert werden weniger Chancen eingeräumt. Diese Personalie will die CDU erst im Sommer klären, obwohl sie die erste Partei war, die sich schon im Dezember 1999 in den drei Bezirken vereinigt hat. Freiwillig räumt Horst-Dieter Havlicek sein Büro an der Müllerstraße. Mit 21 Jahren im Amt ist er dienstältester Stadtrat in Berlin, ihn lockt der Großbezirk nicht mehr.

Auch wenn die Drei noch nicht eins sind, "fest miteinander vertäut sind wir schon", meint Jörn Jensen. So stimme man sich bei allen Neuanschaffungen ab, die über 20 000 Mark kosten. Bis das letzte Amt seinen endgültigen Sitz bezogen hat, wird noch etwa ein Jahr vergehen. Ungewiss ist noch, ob es neben den drei Rathäusern noch zwei Bürgerämter geben wird, geplant sind diese in der Nähe des Potsdamer Platzes und in der Bad- oder Brunnenstraße. Denn ungeklärt ist, ob das Land diese finanziert. Insgesamt ist man in den drei Rathäusern optimistisch. Zum Stichtag 1. Januar 2001 werde die Fusion organisatorisch fertig sein, meint Jörn Jensen. Auch wenn es dann "eine Reihe von unerledigten Aufgaben geben wird", wie manch Stadtrat prophezeit.Mit diesem Beitrag endet unsere Serie

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