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Pankow: Gesundheits-Campus Buch: Erfolgreich im Verborgenen

Am Gesundheits-Campus in Buch arbeiten 4700 Menschen. Mit der Förderung aber tut sich Berlin schwer.

Selbst Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust (CDU) schaute kürzlich vorbei in Buch. Klaus Wowereit (SPD) hingegen blickt lieber wohlwollend distanziert auf den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort von überregionaler Strahlkraft. Der Regierende Bürgermeister habe eine „Grundsympathie für alle Erfolgsprojekte“, sagt sein Sprecher Richard Meng. Um die Einzelheiten kümmern sich vier Senatsverwaltungen, die in einer Steuerungsrunde zusammenarbeiten. Doch die Denker, Tüftler und Dynamiker vor Ort murren, weil die Prozesse in Politik und Verwaltung nicht so geschmeidig ablaufen wie in ihren Laboren.

„Die Eintrittskarte nach Buch ist nicht schön“, sagt Ulrich Scheller, der den Biotechnologie-Campus mit 50 Firmen und 700 Mitarbeitern managt. Wer in Buch ankommt, findet sich in einer abgeschiedenen Welt mit maroden Häuserzeilen und unsanierten Plattenbauten wieder. Das marode Erscheinungsbild verschleiert den Blick auf die Erfolge seit der Wende. Das Helios-Klinikum hat einen schicken Neubau bezogen, aus den einstigen Instituten der Akademie der Wissenschaften der DDR sind hochmoderne Forschungseinrichtungen wie das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) oder das Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie geworden. Die universitären Ausgründungen auf dem Campus entwickeln aus den Erkenntnissen der Grundlagenforschung innovative Arzneimittel und Medizintechnik. Rund 4700 Arbeitskräfte sind am Gesundheitsstandort Buch beschäftigt.

Steuergelder flossen in den vergangenen Jahren in erheblichem Maße nach Buch. Bis 2009 alleine 47 Millionen Euro an EU-, Bundes- und Landesmitteln zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, berichtet die Senatswirtschaftsverwaltung. Hinzu kommen Hunderte Millionen aus diversen Töpfen. Klotzen statt kleckern also, was sich für Berlin allerdings lohnt. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) beziffert die durchschnittliche jährliche Förderung von Seiten des Landes auf rund 12, 6 Millionen Euro. Die Firmen und Institute in Buch schaffen und sichern laut DIW aber auch mehr als 3000 weitere Arbeitsplätze in Berlin, etwa in der Bauwirtschaft oder in Zulieferbetrieben. Jeder investierte Euro sorgt für eine Wertschöpfung von 69 Cent, während eine Schuldentilgung nur eine Ersparnis von 53 Cent brächte.

Ebenso wie Adlershof zeige Buch, wie „wissensbasierte Arbeitsplätze in High-Tech-Unternehmen dauerhaft entstehen können“ und wie „aus Start-Ups stabile Bestandsunternehmen werden“, heißt es aus der Senatswirtschaftverwaltung. Dennoch fürchten die Akteure vor Ort, am Stadtrand in Vergessenheit zu geraten. Weil der Campus aus allen Nähten platzt, drohen ausgerechnet die erfolgreichsten Firmen abzuwandern. So erwarb der Antikörperhersteller Glycotope im Juli 2008 eine Produktionsanlage in der konkurrierenden Biotechnologie-Hochburg Heidelberg, auch weil sich die Suche nach Erweiterungsflächen in Berlin schwierig gestaltete. In der Wirtschaftsverwaltung hat man das Problem offenbar erkannt. Ziel sei es, Flächen für wachsende Bestandsunternehmen sicherzustellen und den Campus auch in der Infrastruktur fit für die Zukunft zu machen.

Im Wettbewerb um Spitzenkräfte aus aller Welt will Buch mit einem attraktiven Umfeld punkten. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) tue dafür zu wenig, hieß es lange Zeit. Anfang Juli änderte sich das. Das Land übertrug 3000 Wohnungen in Platten- und Altbauten an das Wohnungsunternehmen Howoge, das einen Großteil davon bis 2013 modernisieren will. Dazu kündigte Junge-Reyer an, in den nächsten Jahren Kitas, Schulen, Spielplätze und Parks aufzuhübschen. „Buch wird künftig einer unserer Schwerpunkte sein“, sagt Dirk Böttcher, Gruppenleiter Stadtumbau in der Senatsverwaltung. Zwei bis drei Millionen Euro jährlich sollen künftig in die Aufwertung des Ortsteils fließen.

Bald entscheidet sich wohl auch, ob der Campus das seit Jahren ersehnte Eintrittsportal bekommt. Wegen des als Life Science Center oder Forscherschloss bekannten Mitmachmuseums verzweifelte man in Buch an der fehlenden Entschlossenheit der Berliner Politik. Das 27 Millionen Euro teure Vorhaben soll Schulklassen und Touristen in Massen nach Buch locken und den ganzen Ort beleben. Dadurch sollen sich auch Restaurants und Hotels ansiedeln, die es in Buch bislang kaum gibt. „Uns fehlt bislang die Lebendigkeit, wie sie Adlershof durch seine Studenten hat“, sagte MDC-Vorstand Walter Rosenthal im Mai auf einer Anhörung im Bezirk. Auf dieser Ebene drohte das Vorhaben über Monate zu scheitern. Neben privaten Mitteln und einem Zuschuss des Bundesforschungsministeriums soll die Finanzierung zu 20 Millionen aus EU-Fördergeldern kommen. Das Bezirksamt Pankow fürchtete allerdings, am Ende für ein mögliches Millionengrab haften zu müssen. Erst nach mehreren Aufforderungen der Bezirksverordnetenversammlung und einem kurzzeitigen Abspringen des Sponsors Eckert & Ziegler reichte der Bezirk den Förderantrag beim Senat ein.

„Wir werden den Antrag nun sorgfältig prüfen, denn die Förderung unterliegt strengen Regeln“, sagt Wirtschaftsstaatssekretär Jens-Peter Heuer. Nach der Sommerpause wird entschieden, ob der Antrag vom Senat weitergeleitet wird. Geduld benötigen sie auf dem Campus Buch also weiterhin. Werner Kurzlechner

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