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Pflege: Wenn der eigene Vater gebrechlich wird

Pflegende Angehörige haben es beruflich schwer. In Berlin gibt es für sie viele Beratungsstellen.

Die Vorschläge der neuen Familienministerin Kristina Schröder (CDU) zur beruflichen Auszeit für pflegende Angehörige werden heftig diskutiert. Kritik kommt aus vielen Ecken, auch der Berliner kommunale Arbeitgeberverband (KAV) lehnte das Modell ab, nach dem Arbeitnehmer zwei Jahre lang eine halbe Stelle zu 75 Prozent des Gehaltes wahrnehmen können sollen, um einen Angehörigen zu pflegen. Anschließend sollen sie ebenfalls für zwei Jahre wieder voll arbeiten, zu ebenfalls 75 Prozent des Gehaltes. Die Wirtschaft werde damit überfordert, hieß es beim KAV.

Klar ist aber auch, unabhängig von der jetzigen Diskussion, dass der demografische Wandel den Alltag berufstätiger Menschen verändern wird. Denn wenn alle immer älter werden, steigt die Zahl der pflegebedürftigen Senioren. Die Soziologin Svenja Pfahl, die für das Forschungsinstitut Sowitra gerade eine Studie zur Vereinbarkeit von Job und Pflege begonnen hat, hat eine positive Nachricht für die Stadt:  „Berlin ist gut ausgestattet mit ambulanten Pflegeeinrichtungen und Beratungsstellen.“ Die Arbeitgeber müssten sich auf pflegende Mitarbeiter aber noch viel besser einstellen.

Rund drei Prozent der Berliner sind laut Pfahl pflegebedürftig, etwa fünf Prozent an der Pflege eines Menschen beteiligt, und drei von vier Pflegenden sind weiblich. Im Durchschnitt dauere die Pflege acht Jahre und werde meist von Angehörigen der „Sandwich-Generation“ übernommen: Menschen in den mittleren Lebensjahren, die häufig selbst noch Kinder großziehen. „Die meisten Pflegenden fühlen sich durch die Situation stark belastet“, sagte Svenja Pfahl. Andererseits sei der Job für die Betroffenen ein Ausgleich und stärke deren Selbstwertgefühl.

Gepflegt werde meist in Netzwerken aus Angehörigen, Freunden und neben- sowie hauptberuflichen Betreuern. „Wenn ein Netzwerk funktioniert, ist das für alle das Optimum“, sagte Pfahl. Noch nicht viel Gebrauch werde im Moment vom 2008 in Kraft getretenen Pflegezeitgesetz gemacht: Das Gesetz sieht vor, dass Arbeitnehmer bis zu sechs Monate lang freigestellt werden können, um einen Angehörigen mit Pflegestufe zu betreuen. In einer akuten Pflegesituation können Arbeitnehmer außerdem zehn Tage lang dem Arbeitsplatz fernbleiben, um die Versorgung des Erkrankten zu organisieren. Der Arbeitnehmer wird während dieser Zeit nicht bezahlt – was die geringe Nachfrage erklären dürfte.

„Die Betroffenen wünschen sich flexible Arbeitszeiten, kurzfristige Freistellungen und die Anpassung ihrer Arbeitsstunden an akute Pflegephasen“, sagte Pfahl. Unternehmen könnten die Betroffenen etwa mit Erstinformationen versorgen, eine kleine Infobox mit Material aufstellen oder Pflegekurse anbieten. Für die Betroffenen sei es oft sehr mühsam, sich alle wichtigen Informationen zusammenzusuchen. Die Regionaldirektion der Arbeitsagentur Berlin-Brandenburg bietet ihren Mitarbeitern Teilzeit- und Heimarbeit an. „Wir planen die Einführung von Langzeitkonten“, sagte Petra Zschiesche, stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte der Agentur. Auf diesen Konten können Mitarbeiter Arbeitszeit ansparen und dann für einen längeren Zeitraum zu Hause bleiben – bei voller Bezahlung. Vor einigen Monaten hat die Regionaldirektion ihren Mitarbeitern auch einen Workshop zum Thema Pflege angeboten: „Nach einer halben Stunde hatten wir mehr als 50 Anrufe.“ Rita Nikolow

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