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Berlin: Plötzlich lag der Vogel tot im Käfig

80 Feuerwehr-Einsätze in Berlin wegen Verdachts auf Vogelgrippe. Laboratorien mit Analysen überlastet

Von Sandra Dassler

Einer aktuellen Umfrage zufolge ist nur jeder vierte Bürger wegen der Vogelgrippe in Sorge. Die Menschen in Berlin und Brandenburg sind allerdings sehr vorsichtig. Über 80 Anrufe bekam gestern allein die Berliner Feuerwehr von Bürgern, die in der Stadt verendete Vögel entdeckt hatten. „Einer rief sogar an, weil sein Kanarienvogel plötzlich tot im Käfig lag“, berichtet Hartmut Lichy von der Lagestelle der Berliner Feuerwehr. „Weil der Anrufer glaubhaft machte, dass der Kanarienvogel am offenen Fenster mit wilden Vögeln in Kontakt gekommen sein könnte, holten wir den Kadaver ab.“

Alle toten Vögel wurden von Feuerwehrleuten in spezieller Schutzkleidung oder direkt von Bezirksveterinären eingesammelt und zur Untersuchung ins Institut für Lebensmittel, Arzneimittel und Tierseuchen (Ilat) gebracht. Dort arbeitet der Leiter der Abteilung für Infektionsdiagnostik, Jochen Hentschke, seit Tagen mit drei Wissenschaftlern und vier technischen Hilfskräften auf Hochtouren. Den Notdienst macht er gemeinsam mit einer Assistentin.

„Bis jetzt haben wir 75 tote Vögel untersucht, alle Befunde waren negativ“, sagt Hentschke am Freitagnachmittag. Bisher gibt es also keinen Nachweis des gefährlichen H5N1-Virus an einem in Berlin gefundenen Tier. Doch es werden stündlich weitere Vogelkadaver gemeldet – selbst gestern Nacht wurden acht weitere tote Tiere ins Ilat eingeliefert. „Wir haben jetzt alle Tiere untersucht“, sagt Hentschke. Am Freitagnachmittag waren noch ein paar Tauben übrig, „aber deren Untersuchung ist weniger dringlich“, sagt Hentschke. Sie stünden am Ende einer Infektionskette, könnten das Virus also nicht an andere Vögel weitergeben.

Auch das brandenburgische Landeslabor in Frankfurt (Oder) hat bisher keine Hinweise auf das Auftreten von Vogelgrippe. Seit Anfang des Jahres wurden dort 193 Wildvögelkadaver untersucht, darunter 14 Schwäne. Alle Befunde waren in Bezug auf das Virus negativ, allerdings konnten die am Mittwoch in Karwe bei Neuruppin gefundenen Schwäne nicht untersucht werden. Sie waren zu stark verwest. „Auch die Brandenburger achten im Moment sehr auf tote Vögel und melden sogar tote Spatzen und Meisen“, sagt der Sprecher des Agrarministeriums, Jens-Uwe Schade: „Das ist uns aber lieber als Leichtsinn.“

Das Ministerium habe die rund 2500 Förster und Waldarbeiter sowie die etwa hundert Naturschützer des Landes gebeten, tote Vögel möglichst schnell zu bergen. „Bei uns soll es nicht vorkommen, dass die Tiere wie auf Rügen Tage lang liegenbleiben“, sagt Schade. Im Landeslabor, in dem zwei Dutzend Laboranten die Tiere untersuchen, würden zunächst Schwäne, danach Wasser- und zuletzt Greifvögel begutachtet. Das Labor wird auch am Wochenende arbeiten.

Brandenburg wird, da sind sich alle Experten einig, nicht von mit H5N1 infizierten Wildvögeln verschont bleiben. Über das Flächenland verlaufen drei große Vogelfluglinien. Gerade in diesen Tagen kommen die Singschwäne aus der Gegend um dem Balkan zurück in die Mark. Sie gelten als besonders gefährdet. Der Nationalpark Unteres Odertal will trotzdem eine Veranstaltung nicht absagen, die er für das nächste Wochenende geplant hat – die 1. Singschwan-Tage, an denen Touristen mit Fernrohren tausende Tiere beobachten und ihren glockenartigen Rufen lauschen können. „Wenn man die Schwäne von weitem beobachtet, besteht ja keine Gefahr“, sagt Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade. Wichtiger sei, dass die seit gestern geltende Stallpflicht im Land konsequent durchgesetzt werde. Die Veterinärämter hätten jedenfalls in den kommenden Tagen viel zu tun.

Belächelt werden in Brandenburg die Schutzanzüge der Berliner Feuerwehrleute. Desinfizierbare Handschuhe reichten völlig aus, heißt es in Potsdam. Berlins Feuerwehrchef Albrecht Broemme will lieber auf Nummer sicher gehen. „Trotzdem“, sagt er, „kann jeder Bürger seinen toten Kanarienvogel weiter im Garten begraben.“ Einen Schutzanzug muss er dafür nicht tragen. Aber Handschuhe.

Bürger, die einen toten Vogel finden, sollten sich an die zuständigen Veterinärämter der Bezirke wenden.

Die Telefonnummern stehen unter www.tagesspiegel.de/vogelgrippe

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