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Im Dunkeln: Im Prozess um die tödliche Prügelattacke am Alexanderplatz bleibt vieles nicht sichtbar.

© dpa

Berlin: Gewalttat am Alexanderplatz: Jonny K. hatte fast zwei Promille Alkohol im Blut

Der dritte Prozesstag im Fall Jonny K. bringt neue Erkenntnisse: K. soll fast zwei Promille Alkohol im Blut gehabt haben. Außerdem sagte der Freund von Jonny K. aus - und belastet den 19-jährigen Onur U. schwer.

Der Zeuge atmete tief durch. Auch Gerhardt C., genannt Kaze, wurde geschlagen in jener Nacht. Doch Jonny K., sein Freund, der ihm damals helfen wollte, wurde bei dem Angriff wie aus dem Nichts tödlich verletzt. Gerhardt C. sah kurz zu dem jungen Mann, der nun keine fünf Meter entfernt als einer von sechs Angeklagten saß. Onur U. blieb äußerlich regungslos. Auch, als der Zeuge den Arm ausstreckte und auf ihn zeigte. „Das ist der, der alles angefangen hat“, sagte er. „Der erste Schlag ging gegen Jonny, gegen sein Gesicht.“ Doch wie sicher sind seine Erinnerungen? Lange wurde der Zeuge befragt.  

Gerhard C. ist 29 Jahre alt, seit vielen Jahren auch der Freund der Schwester von Jonny K. und arbeitslos seit dem Vorfall im letzten Oktober. Er erlitt mehrere Knochenbrüche, zwei davon im Gesicht. Den linken Arm konnte er lange nicht benutzen, das linke Auge war verletzt. Das alles nach einem Abend, der feuchtfröhlich war. Sie hatten in einem Club einen Geburtstag gefeiert. Er und Jonny K. wollten um vier Uhr schließlich einen Freund nach Hause bringen. „Er hatte übertrieben“, erinnerte sich C. am Montag vor dem Landgericht. Sie hatten Hochprozentiges getrunken. Jonny K., so stellte man später fest, hatte fast zwei Promille Alkohol im Blut.

Der Zufall hatte die Gruppe um Jonny K. und jene, mit der Onur U. unterwegs war, zusammengeführt. C. wollte den Betrunkenen auf einen Stuhl setzen. „Ich sehe ihn, wie er den Stuhl wegzieht, lacht“, beschrieb er nun und zeigte auf U. Jonny K. sei gekommen. „Was soll das“, habe sein Freund gerufen und U. an der Schulter angefasst. „Onur U. reißt sich los und schlägt Jonny sofort ins Gesicht“, zeigte sich C. sicher. „Dann sind sie alle auf ihn, haben ihn umzingelt“, sagte er.

Die sechs Angeklagten haben ihre Beteiligung an der Schlägerei zugegeben. Ex-Boxer U. gestand, dass er Gerhardt C. mit etlichen Fausthieben traktiert hatte. „Es waren bestimmt zehn, zwölf Schläge.“ Aber mit Jonny K. habe er sich nicht befasst, er habe ihn nicht einmal bemerkt in der Prügelei. Ein Angeklagter gab einen Tritt gegen das Bein von Jonny K. zu und beteuerte, K. sei dadurch nicht umgefallen, ähnlich beschrieb ein weiterer der 19- bis 24-Jährigen seinen Anteil an der Tat. Keiner will Jonny K. zu Boden gebracht haben, keiner übernahm für den Tod des 20-Jährigen Verantwortung.

Jonny K. war laut Anklage in der Nacht zum 14. Oktober mit wuchtigen Schlägen und Tritten so attackiert worden, dass er stürzte und auf die Straße aufprallte. Er starb einen Tag später. Hirnblutungen. Die Ärzte konnten ihm nicht mehr helfen. Vier Verletzungen wurden an seinem Kopf festgestellt. An der Schläfe, am Mund, am Scheitel und am Hinterkopf. Eine Platzwunde, das andere Prellmarken.

Die Berichte der Mediziner scheinen nicht zu der Schilderung des Augenzeugen C. zu passen. „Keine größeren Blutergüsse oder Schürfwunden“, hieß es. Es sei aber nicht mehr feststellbar, welche Verletzung zu den Blutungen im Gehirn führte. „Jede der vier Verletzungen hätte Auslöser sein können“, sagte ein Rechtsmediziner. Ein Tritt, ein Schlag oder der Sturz, der allerdings „eher unwahrscheinlich“ sei. Es kann nicht geklärt werden, was zur Katastrophe führte. „Stumpfe Gewalt.“ Mehr lasse sich nicht feststellen, bestätigten drei Gutachter.

War es der 19-jährige Onur U., der eine Gewaltorgie auslöste, wie sie der Zeuge beschrieb? „Auch andere Angeklagte sagen, er hatte nichts mit Jonny K. zu tun“, sagte der Richter. Gerhardt C. blieb dabei. „Das ist die Wahrheit“, fasst er seine Aussage zusammen. Auch er hatte getrunken in jener Nacht, allerdings weniger als die anderen. Er wurde massiv geprügelt, er hat seitdem viele Fotos und Berichte gesehen, mit Freunden darüber gesprochen. „Jonny ging richtig steif zu Boden“, erinnerte sich der Zeuge. Drei der Angreifer hätten ihn getreten. Auch U.

Die Staatsanwaltschaft wirft vier Angeklagten Körperverletzung mit Todesfolge vor, den anderen gefährliche Körperverletzung. Gerhardt C. hatte Onur U. auf Fotos, die ihm die Polizei im Oktober vorlegte, nicht identifiziert. Er erkenne den Täter vielleicht, wenn ich ihm gegenüberstehe, sagte er damals. Nun musste er sich vielen kritischen Fragen stellen. Der Richter sagte einmal nachdenklich, es scheine eine schreckliche Verkettung unglücklicher Umstände zu sein, die im Prozess zu klären ist.

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