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Charité: Lebenslange Haft für Irene B. gefordert

Die Anklage will für die Ex-Charité-Krankenschwester die Höchststrafe wegen Mordes, da die Angeklagte keine Reue zeige. Die Richter sprechen am Freitag das Urteil.

Macht. Immer wieder tauchte das Wort im Plädoyer der Anklage auf. Irene B. habe zeigen wollen, „dass sie es ist, die die Macht hat“, sagte Staatsanwältin Brigitte Raddatz. Sie habe in „überheblicher Weise“ Todeszeitpunkte bestimmt. Die ehemalige Charité-Krankenschwester könne sich auch nicht darauf berufen, im Sinne der Patienten gehandelt zu haben. „Keiner der Patienten hatte sie darum gebeten.“ Die Anklägerin plädierte gestern auf lebenslange Haft. Heute wird das Urteil verkündet.

Es sei bewiesen, dass Irene B. auf der kardiologischen Intensivstation der Charité sechs schwer kranke Patienten jeweils durch eine Medikamenten-Überdosis getötet habe, sagte die Staatsanwältin. In einem weiteren Fall habe ein Patient trotz verabreichter Spritze reanimiert werden können. Die 55-jährige Irene B. sei des Mordes in sechs Fällen sowie eines Mordversuchs schuldig zu sprechen. Sie habe aus niederen Beweggründen und teilweise auch heimtückisch gehandelt. Reue sei nicht zu erkennen. Die Staatsanwältin beantragte zudem, die besondere Schwere der Schuld festzustellen. Damit wäre eine Haftentlassung nach 15 Jahren ausgeschlossen. Die Verteidigung plädierte auf eine Verurteilung wegen Totschlags in vier Fällen.

Irene B. hörte konzentriert zu. Wie an den vorangegangenen acht Prozesstagen war ihr Kinn oft leicht gereckt, der Blick wirkte streng. Am Ende der Plädoyers stand sie auf: „Ich habe heute sehr viel erfahren.“ Eine verschobene Weltanschauung und eine narzisstische Persönlichkeitsstörung habe man ihr nachgesagt. „Ich konnte damit in meinem Leben sehr gut umgehen“, erklärte sie ruhig.

Über Leid, Schmerz und Tod sprach die Frau, die vier Tötungen eingeräumt hat. Sie gab einen kleinen Einblick in ihre ganz persönliche Philosophie. Sie würde es wieder tun, hatte Irene B. bei einer polizeilichen Vernehmung gesagt. In ihrem Schlusswort vor dem Urteil erklärte sie: „Zu meinen Taten möchte ich nur sagen, dass sie ein absurder Irrtum waren.“ Still war es im Saal. „Warum habe ich nicht gewartet?“, fuhr Irene B. fort. Wenig später saß sie schluchzend auf der Anklagebank.

Die Krankenschwester soll zwischen Juni 2005 und 2. Oktober 2006 fünf Männer und eine Frau ermordet haben. Die Opfer waren zwischen 48 und 77 Jahre alt. Irene B. hatte in ihrem Teilgeständnis erklärt, sie habe zum Wohle der Patienten gehandelt. Ein Gutachter hatte erklärt: „Sie sah sich als Mitwirkende des göttlichen Willens.“

Anders als die Anklage erhob die Nebenklage deutliche Vorwürfe an die Adresse der Charité. Es habe auch ein „institutionelles Versagen“ vorgelegen, das die Angeklagte allerdings nicht entlaste. Die Vorkehrungen auf der Station seien unzureichend und nicht zeitgemäß gewesen. Supervisionen für das Pflegepersonal habe es beispielsweise nicht gegeben. Und es kam noch einmal die späte Reaktion auf erste Hinweise im Zusammenhang mit der Tötungsserie zur Sprache.

„Wir hatten kein Verfahren gegen die Charité“, sagte Verteidiger Mirko Röder, der mit Kritik am Universitätsklinikum verhaltener war. Er wollte „für Frau B. werben“. Er habe sie nicht als rigide und kühle Person, sondern „warmherzig und blitzgescheit“ kennen gelernt. „Sie wollte das Sterben verkürzen“, sagte Röder.

Kerstin Gehrke

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