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Aue

© dpa

Haftskandal: Polizeipräsident: Wir wurden über Drogen nicht informiert

Polizeipräsident Glietsch will erst am 3. September vom Schmuggel in der Jugendhaftanstalt erfahren haben. Die Opposition nimmt derweil Justizsenatorin von der Aue in die Mangel.

Die Justiz hat die Polizei erst am 3. September dieses Jahres über das Einschmuggeln von Drogen über die Mauer der Jugendstrafanstalt (JSA) informiert. Das sagte Polizeipräsident Dieter Glietsch gestern im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Zwar wisse die Behörde seit vielen Jahren von der verbotenen Kontaktaufnahme von Angehörigen mit Insassen der JSA. Dass jedoch Drogen über die Mauer fliegen, sei bis dahin unbekannt gewesen. Die Justiz hatte dagegen seit Anfang März dieses Jahres Kenntnis vom zunehmenden Schmuggel. Dass sie nicht schneller die Polizei um Hilfe bat, empört den Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Volker Ratzmann: „Die Senatorin hielt die Zusammenarbeit mit der Polizei für überflüssig.“ Es sei offensichtlich kein Gedanke daran verschwendet worden, bei der Polizei Hilfe zu holen. Wie berichtet, hatte das Gefängnis nicht mal den Polizeinotruf gewählt, als im Mai eine Aluminiumleiter über die Mauer geworfen wurde. Der Innenausschuss beschäftigte sich auf Antrag der Oppositionsfraktionen von CDU, Grünen und FDP mit dem Drogenschmuggel in das Jugendgefängnis.

Glietsch sagte, dass bis Ende August 73 Strafanzeigen von der JSA wegen Drogenfunden erstattet worden seien, fast alle gegen unbekannt. 2006 waren es im ganzen Jahr 80. Zudem habe es in diesem Jahr an der JSA sechs Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruchs gegeben, erstattet durch die Kleingärtner, jedoch keine Anzeige wegen Bedrohung. Die Angehörigen der überwiegend türkischen und arabischen Gefangenen nutzen die Laubenkolonie an der Gefängnismauer, um sich zu unterhalten oder Sachen über die Mauer zu werfen. Die Kleingärtner hatten behauptet, dass sie sich von den Jugendlichen bedroht fühlten, die ohne zu fragen auf die Dächer der Lauben stiegen. Wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs sind laut Glietsch in diesem Jahr mehrere Tatverdächtige zur Personalienfeststellung mitgenommen worden. Die Oppositionsparteien CDU, Grüne und FDP kritisierten, dass Justizsenatorin von der Aue von „Festnahmen“ gesprochen hatte, tatsächlich jedoch nur die Identität festgestellt worden war. Die Polizei hatte bestätigt, dass diese Personen, die an der Mauer angetroffen worden waren, keine Drogen bei sich gehabt hatten.

Glietsch berichtete, dass die JSA seit 1996 von der Polizei regelmäßig angefahren werde, seit 2005 verstärkt. Damals hatte die Gefängnisleitung die Polizei informiert, dass verstärkt Telefone über die Mauer geworfen würden.

Der CDU-Abgeordnete Frank Henkel kommentierte die Ausführungen des Polizeipräsidenten so: „Er hat wie Frau von der Aue viel erzählt, aber nichts erklärt.“ Der grüne Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann lobte Glietsch dagegen: „Einen so detaillierten Bericht hätte eigentlich die Hauptverantwortliche von der Aue abliefern müssen.“ Innensenator Ehrhart Körting verteidigte von der Aue: „Ich stelle mich hinter meine Kollegin.“ Auch der SPD-Abgeordnete Fritz Felgentreu verteidigte seine Parteifreundin: „Die Opposition strickt Widersprüche, wo keine sind.“ Wie berichtet, sollen nun im Oktober neue Gitter vor den Zellen montiert werden, um den Schmuggel zu unterbinden. Bis dahin ist die Polizei abends und nachts dauerhaft präsent.

Auf Nachfrage bestätigte die Justiz gestern eine weitere Panne, die in der JSA reichlich Aufregung ausgelöst hatte: Im Mai dieses Jahres – drei Tage vor dem Fluchtversuch mit der Leiter – war ein Hubschrauber unangemeldet und unangefordert im Hof der JSA gelandet. Als der Pilot merkte, dass er sich verflogen hatte, stieg er sofort wieder auf. Ziel des Rettungshubschraubers Christoph 31 war nach Angaben der Feuerwehr das benachbarte Männergefängnis Plötzensee. Doch dem dort leblos gefundenen Gefangenen konnte nicht mehr geholfen werden. Abdulehet Y. war tot.

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