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Polizei & Justiz: Kurzstrecke zum nächsten Deal

Trotz neuer Soko: Auf der U-Bahn-Linie 8 wird weiter mit Drogen gehandelt

Auf dem U-Bahnhof Weinmeisterstraße in Mitte hocken sie gemütlich auf der Bank, die Füße auf der Sitzfläche abgestellt. Sie sind vielleicht 15, 16 und 20 bis 22 Jahre alt. Eine Gruppe von vier jungen Männern, aus einem ihrer Handys tönt orientalische Musik. Der U-Bahn- Zug aus Richtung Wittenau fährt ein. Ein Mann steigt aus, geht geradewegs auf die jungen Leute auf der Bank zu. Während er die Hand zum Abklatschen ausstreckt, schlägt einer aus der Gruppe ein und steckt ihm dabei unauffällig ein Tütchen zu. Dann drehen sie sich kurz um, taxieren die Anwesenden auf dem Bahnsteig.

Ein übliches Drogengeschäft, wie es seit Jahren auf der U-Bahn-Linie 8 zum Alltag gehört. Der U-Bahnhof Weinmeisterstraße gilt ebenso wie der nahe gelegene Weinbergspark als Drogenschwerpunkt. Gleiches gilt für den Bahnhof Bernauer Straße eine Station weiter. Die jungen Männer, die eben noch auf der Bank am Bahnhof Weinmeisterstraße saßen, hüpfen im nächsten Moment in den Zug, um an der Bernauer Straße auf neue Kunden zu warten.

Eigentlich sollten die Dealer längst vertrieben worden sein. Denn im Mai hatte die Polizei angekündigt, mit einer neu gegründeten Sonderkommission beim Landeskriminalamt offensiv gegen den Rauschgifthandel im Untergrund vorzugehen. Die Soko, die den Namen „Sinod“ („Sicher im Nahverkehr ohne Drogen“) trägt, soll seit Juni verhindern, dass den Rauschgifthändlern weiterhin „günstige Tatgelegenheiten im U-Bahn-Verkehr“ geboten werden. Doch von den Soko- Fahndern ist nichts zu sehen. Jedenfalls nicht für den normalen U-Bahn-Fahrgast.

„Das funktioniert auch nicht wie bei einem Schalter, den man einfach umlegen kann“, sagte ein Polizeisprecher. Der Sinod gehe es nicht darum, die „kleinen Drogenhändler“ zu observieren. Vielmehr seien es die Hintermänner, sozusagen die großen Fische, die die Sonderkommission interessieren. Die Soko solle vor allem Informationen der einzelnen Drogenfahnder „verdichten“, sagte der Sprecher. „Der Erfolg der Arbeit ist sicher erst nach mehreren Monaten zu erkennen.“ Trotzdem seien täglich Polizisten in Uniform, aber auch Fahnder in Zivil wie die Sinod-Ermittler im Einsatz.

Die jungen Männer mit Basecaps, die sich nun auf der Sitzbank am U-Bahnhof Bernauer Straße tummeln, bleiben an diesem Tag unbehelligt von der Polizei. Seelenruhig bedienen sie ihren nächsten Kunden. Ein Mann, Anfang 50, schiebt ein klappriges Damenfahrrad neben sich her. Der Junge, der sich von der Bank erhebt, ist höchstens 15. Er schlendert auf den Mann zu und reicht ihm im Austausch gegen Bargeld ein Briefchen aus der Handfläche. Eine Sache von Sekunden.

Die Händler lehnen sich auf der Bank zurück und zünden sich Zigaretten an. Auch das Rauchverbot auf dem Bahnhof stört sie nicht. Tanja Buntrock

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