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Immer wieder musste die Polizei in der Vergangenheit in die besetzte Schule in der Ohlauer Straße in Kreuzberg kommen - im November 2013 stürmte das SEK die Schule.

© dpa

Update

Messerstecherei unter Flüchtlingen: SEK stürmt besetzte Schule in Kreuzberg

Im Flüchtlingsheim in der Ohlauer Straße kam es zu einer Messerstecherei, ein 20-Jähriger wurde schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert. Damit entbrennt der Streit um die Gerhart-Hauptmann-Schule erneut.

Eine neugierige Menschentraube steht an der Pforte zur einstigen Gerhart-Hauptmann-Schule, die seit Dezember 2012 von mehr als 200 Flüchtlingen besetzt ist. Der Polizeispürhund schnüffelt durchs Laub, die Fotografen knipsen vorbei am rot-weißen Absperrband. Tatorthektik. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag ist auf dem Gelände an der Ohlauer Straße in Kreuzberg ein 20-jähriger Mann von der Elfenbeinküste bei einem Streit von zwei Kontrahenten mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt worden. Ein Stich traf die Lunge. Das Opfer liegt im Krankenhaus, ist aber laut Polizei außer Lebensgefahr. Die Hintergründe des Streits sind noch unklar. Die Täter sind flüchtig.

In einer ersten Reaktion auf den Vorfall betonte Kreuzbergs Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne), der Bezirk verhandele derzeit intensiv mit Vertretern der Flüchtlinge, um die angespannte und „unübersichtliche Situation“ in der völlig überfüllten Unterkunft in den Griff zu bekommen. Ebenso wie für die Bewohner des Flüchtlingscamps am Kreuzberger Oranienplatz werden auch für die Menschen an der Ohlauer Straße alternative Gebäude gesucht, in denen sie besser unterkommen können. Zugleich soll versucht werden, alle aufenthaltsrechtlichen Fragen rasch zu klären. Doch Bezirk und Senat schieben sich bislang die Zuständigkeiten zu, anstatt an einem Strang zu ziehen.

Der Streit zwischen den drei Bewohnern war gegen Mitternacht eskaliert. Polizisten umstellten das Areal, gegen drei Uhr stürmte ein Spezialeinsatzkommando (SEK) die Turnhalle der Schule, da man die Täter dort vermutete – die Beamten wurden aber nicht fündig. Die Turnhalle, ein besprayter Bau mit zerstörten Fenstern, dient den Flüchtlingen als Treff. Nun ermittelt die Kripo wegen eines versuchten Tötungsdeliktes.

Am Tor haben sich einige Anwohner ihre Meinung schon gebildet. Claude, ein großer Mann mit Dreadlocks und Wollmütze, sagt, es liege am verdammten Alkohol. „Manche hier saufen, saufen, saufen, weil sie verzweifelt sind, und dann werden sie aggressiv.“ Unterstützer der Flüchtlinge befürchten derweil, der Vorfall könne das ganze Projekt gefährden. „Hoffentlich schreien jetzt nicht alle: Die Flüchtlinge sind kriminell! Vieles läuft nämlich sehr gut hier, die Bewohner wollen bleiben. Wenn sie umziehen müssten in ein Lager, wäre das eine Katastrophe“, glaubt Marius. Er ist oft hier und hilft. Bis jetzt gilt an dem Kreuzberger Refugium ein Prinzip der offenen Tür. Jeder kann rein und kann raus, eingesperrt soll sich niemand fühlen.

Der Bezirk hat allerdings immer betont, die Unterkunft sei provisorisch und nur der „absoluten Notsituation geschuldet.“ Die meisten Bewohner leben gedrängt in den mit Matratzen und Sperrmüll eingerichteten Klassenzimmern. Es gibt kaum Toiletten und Waschbecken. Strom und Heizung übernimmt der Bezirk, ansonsten sind die Menschen auf Spenden angewiesen. Die Fluktuation ist groß.

Bereits im vergangenen April war die besetzte Schule in die Schlagzeilen geraten, weil sich vier Männer nach einem Überfall auf einen Kreuzberger Imbiss dorthin geflüchtet hatten. Das Quartett war in der Notunterkunft gemeldet. Drei der Gesuchten wurden festgenommen.

Aus Sicht von Stadtrat Hans Panhoff wäre es jedoch falsch, aus dem damaligen und jetzigen Vorfall den Schluss zu ziehen, „dass in der Schule eine besonders aggressive Stimmung herrscht“. Panhoff: „Angesichts der Enge geht es eher erstaunlich friedlich zu.“

Der Bezirk will die frühere Schule künftig als „Projekthaus“ nutzen. Nachbarschaftsinitiativen sollen dort unterkommen. Auf rund 300 Quadratmetern könne aber auch eine Notunterkunft für Flüchtlinge entstehen, sagt Panhoff. Zurzeit versucht sich der Bezirk aber erst mal einen Überblick zu verschaffen, woher die derzeitigen Bewohner kommen und welchen rechtlichen Status sie haben.

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