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Polizei: In den eigenen Reihen wird seltener ermittelt

Unter Polizeipräsident Dieter Glietsch gibt es weniger Strafverfahren gegen Polizisten. Dabei hat der Behördenchef den Ruf, intern besonders hart durchzugreifen.

Sind Berlins Polizisten besonnener geworden – weil ihr Vorgesetzter Dieter Glietsch bei Prügelorgien im Dienst vielleicht härter durchgreift als seine Vorgänger? Oder ist man intern vor dem derzeitigen Polizeipräsidenten – der als Reformer für mehr Transparenz bei der Behörde sorgen wollte – sogar strenger mit den eigenen Kollegen umgegangen?

Ein Jahr vor Glietschs Amtsantritt im Jahr 2002 sind mehr als 2400 Strafverfahren gegen Berliner Beamte geführt worden. Den aktuellsten Zahlen zufolge wurde 2008 hingegen rund 1500 Mal ermittelt, Zahlen für 2009 liegen noch nicht vor – aus Polizeikreisen aber heißt es, so viele wie 2001 würden es nicht. Auch wenn die Stadt inzwischen nur noch rund 16 000 Polizisten und damit 4000 Beamte weniger als damals beschäftigt, ist der Unterschied zwischen den sieben Jahren deutlich. Während 2001 noch 1057 Mal wegen Körperverletzung im Amt gegen Beamte ermittelt worden ist, sank diese Zahl auffallend: 636 Verfahren wurden deswegen 2008 eingeleitet.

Vermutungen, wonach Polizisten aus Angst vor internen Ermittlungen seit Glietsch einfach weniger oft „die Hand ausrutscht“, wollte in Justizkreisen niemand bestätigen. Die Polizeikultur habe sich geändert, ohne Direktive von oben. Vor allem aber habe Glietsch sein Image als Durchgreifer sorgfältig gepflegt – auch durch eine geschickte Öffentlichkeitsarbeit. Als am diesjährigen 1. Mai ein Beamter einen am Boden liegenden Demonstranten massiv gegen den Kopf getreten hatte, habe sich Glietsch als „harter Hund“ in Szene gesetzt, sagen Beobachter, weil der Fall schon durch Hobbyfilmer öffentlich gemacht worden ist. Gegen den Beamten wird ermittelt.

Unerwartet hatte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) 2002 den Nordrhein-Westfalen Glietsch als Nachfolger für den aus dem Amt geschiedenen Hagen Saberschinsky präsentiert. Wunschkandidat vieler Kollegen auf den Wachen war Ex-Polizeivizepräsident Gerd Neubeck. Viele Polizisten sehen ihren Vorgesetzten immer noch kritisch. „Glietsch so zu loben ist falsch, den vermeintlichen Korpsgeist hat es schon lange vor ihm nicht mehr gegeben“, sagte der Berliner Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Eberhard Schönberg. Es gebe seit Jahrzehnten einen allgemeinen Trend zu mehr Transparenz, dies habe nichts mit der Politik des Polizeipräsidenten zu tun. Auch unter Glietschs Vorgänger Saberschinsky sei gegen Kollegen ermittelt worden, wenn sich diese strafbar gemacht haben könnten.

Schwierigkeiten mit Glietsch hat man aus ganz anderen Gründen auch auf der anderen Seite – bei den Strafverteidigern. Die traditionell polizeikritischen Juristen vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein verweisen auf eine vom Senat finanzierte Studie zum 1. Mai 2009, in der es heißt, prügelnde Polizisten anzuzeigen komme den Betroffenen oft sinnlos vor.

Tatsächlich werden die wenigsten beschuldigten Polizisten verurteilt. Das mag zum einen daran liegen, dass viele Beamte von Straftätern aus Rache angezeigt werden – die Vorwürfe also so schnell erhoben werden, wie sie haltlos sind. Das kann Experten zufolge aber andererseits auch daran liegen, dass sich Polizisten untereinander gut absprechen, ihre Aussagen in den Ermittlungen also selten zu Urteilen gegen Kollegen führen. Sowohl 2001 als auch 2008 wurden nur etwas mehr als 30 Urteile gegen Beamte gefällt – etwa wegen Verkehrsverstößen. Den 636 Anzeigen wegen Körperverletzung in jenem Jahr folgte jedenfalls keine Verurteilung.Hannes Heine

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