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Vertragen. Der Chef der Hells Angels Hannover, Frank Hanebuth, sitzt am Mittwoch neben Vermittleranwalt Götz von Fromberg in dessen Kanzlei. Hanebuth und Bandidos-Boss Peter Maczollek (links) hatten beim Unterzeichnen ihres Abkommens erklärt, sie hätten zuvor mit den Rockerchefs in Berlin eindringlich über den Nichtangriffspakt gesprochen. Foto: dpa

© dpa

Rocker: Frieden in Deutschland – Krieg in Berlin?

Die beiden Rockerbanden Hells Angels und Bandidos haben in Hannover einen Nichtangriffspakt geschlossen. Sicherheitsexperten bezweifeln aber, dass das bundesweite Abkommen der Bosse auch in der Hauptstadtregion funktioniert.

Auf ihre Worte haben tausende Rocker und zahlreiche Polizisten gewartet. Und ihre Botschaft war eindeutig, als die beiden Rockerbosse diese Woche das erste Mal in der Geschichte des Milieus gemeinsam vor die Kameras traten: Vertrag ist Vertrag – wer sich nicht dran hält, fliegt raus. In der Hannoveraner Kanzlei von Staranwalt und Alt-Kanzler-Freund Götz von Fromberg hatten Hells-Angels-Chef Frank Hanebuth und Bandidos-Oberhaupt Peter Maczollek ein von Sicherheitsexperten als fragil bezeichnetes bundesweites Abkommen unterzeichnet. Die Chancen stehen aber gar nicht schlecht, dass die blutige Fehde zwischen den mächtigen Rockerbruderschaften vorerst ein Ende findet, denn Hanebuth und Maczollek genießen nach jahrelangen Schlachten viel Respekt in einschlägigen Kreisen. Doch weil die beiden glatzköpfigen, muskulösen Rockerfürsten wissen, dass mindestens die Fahnder der Länderpolizeien erkannt haben, wo in Deutschland das Problem liegt, sprechen die beiden es selbst an: in und um Berlin.

Die Köpfe beider Bruderschaften haben Monate an dem Deal gesessen, etwas irritiert beobachteten Ermittler bei Observationen die Unterhändler beider Gruppen bei Treffen auf neutralem Boden – und der wurde zuletzt knapp. Denn Rocker kämpfen um Reviere, um Kieze und die Türen der dort befindlichen Bars und Diskotheken, weil sie als Einlasser bestimmen, welche Geschäfte dahinter stattfinden. Die Polizei spricht von Schutzgeld, Drogen- und Waffenhandel.

Und von blutiger Konkurrenz im Rotlichtmilieu, vor allem in Berlin und Brandenburg. „Wir haben die Lokalpräsidenten aus Schleswig-Holstein und Berlin eingebunden“, sagte Hanebuth. Die Bandidos pflichten ihm bei. Im Norden verbot das dortige Innenministerium kürzlich einen lokalen Ableger jedes Lagers. In Berlin verhinderte die Polizei mit gezogenen Waffen erst vergangenes Wochenende einen Zusammenstoß zwischen Hitzköpfen der Szene – und das, obwohl dem Pakt von Hannover offiziell acht Wochen Friedensprobephase vorangegangen sein sollen. Doch in und um Berlin lässt sich das Abkommen schwer umsetzen. Darin heißt es, Städten, in denen einer der beiden Clubs vorherrscht, bleiben Mitglieder des traditionell gegnerischen Vereins fern. Weiter erklärten die Bosse: Beide Bruderschaften werben sich keine Anhänger ab, Neugründungen lokaler Ableger sind innerhalb eines Jahres untersagt – und auch danach nur in Absprache. Das mag in Leipzig, Bremen und Stuttgart klappen, wo die Hells Angels kontrollieren, oder in Thüringen und im Ruhrgebiet, wo die Bandidos dominieren. „Dort werden wir keine neuen Charter gründen“, stellte Hanebuth klar.

Doch was ist mit Berlin? Knapp 800 Rocker beobachten die Behörden hier inzwischen. Beispiel Kreuzberg: Am Kottbusser Tor besuchen Hells Angels traditionell Kneipen und Tätowierladen. Kürzlich aber tauchten 40 Bandidos bei dem Konzert eines westdeutschen Rappers am Kottbusser Tor auf, für den sie offenbar als Sicherheitsdienst fungierten. Jener Musiker soll dem Vernehmen nach Ärger mit einem einschlägigen arabischen Clan haben. Beispiel Reinickendorf: Lange war der Bezirk in Hand der Bandidos – bis das dortige Chapter El Centro in einem waghalsigen Coup die Seiten gewechselt hatte. Die abtrünnige Truppe wird Szenekennern zufolge vom polizeibekannten Kadir P. geleitet. Die Überläufer trafen sich mit der Höllenengel-Führung zu Beitrittsverhandlungen in einer Potsdamer Kneipe. In Brandenburg hatten ausgerechnet die Männer um Kadir P. nur Monate zuvor führende Ost-Berliner Hells Angels auf einer Landstraße mit Autos verfolgt, ausgebremst und durch Stiche schwer verletzt. Die Ex-Bandidos-Sektion El Centro gilt als besonders militant, ihre Anhänger als unberechenbar. P. hatte sich schon intern bei den Bandidos mit anderen Lokalchefs angelegt. Weil seine Anhänger mehrheitlich nichtdeutscher Herkunft sind, mussten sie sich den Hells Angels als explizit türkisches Charter anschließen.

Dass es in Berlin viel zu verteilen gibt, machen Polizeizahlen deutlich: In den vergangenen fünf Jahren habe es mehr als 100 Haftbefehle im Milieu gegeben, bei Razzien seien Drogen im Wert von einer Millionen Euro, zudem 450 000 Euro in bar beschlagnahmt worden. Erst am Dienstag ist in Frankfurt (Oder) ein Ex-Bandido festgenommen worden – er soll jedoch schon seit Jahren kiloweise Drogen nach Deutschland geschmuggelt haben. „Taten einzelner Anhänger, keine Clubaktivität“, erklären die Rocker.

Zu den Vorwürfen, wonach die Rockerspitzen den Nichtangriffspakt unter lokalen Trupps wie El Centro gar nicht durchsetzen könnten, erklärte Hanebuth in Hannover gelassen: Man habe das Abkommen mit allen relevanten Männern besprochen. „Zuwiderhandlungen werden streng sanktioniert“, sagte Bandido Maczollek. Man verwies in Hannover auf Dänemark: Nachdem in Skandinavien sogar mit Kriegswaffen gekämpft worden war, vereinbarten Hells Angels und Bandidos 1996 ein ähnliches Abkommen. Seitdem ist Ruhe. Dort.

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