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Leserdebatte: Sollen Polizisten Namensschilder tragen?

Nach dem Polizei-Übergriff auf Teilnehmer der Datenschutz-Demonstration am vergangenen Sonnabend will Polizeipräsident Glietsch die Kennzeichnungspflicht durchsetzen - auch gegen den Widerstand von Gewerkschaften, die unberechtigte Anzeigen fürchten. Wie denken Sie darüber? Diskutieren Sie mit!

Glietsch kündigte an, dass 2010 die geplante individuelle Kennzeichnung von Polizisten definitiv eingeführt werden soll. „In einer modernen und bürgernahen Polizei ist das Tragen von Namensschildern zur Uniform heutzutage eine selbstverständliche Geste“, sagte Glietsch dem Tagesspiegel.

Mit der Einführung der blauen Uniformen im kommenden Jahr sollen erstmals alle Polizisten ein Namensschild am Revers tragen. Das Besondere an dem Schild ist, dass es mit Klettband befestigt wird und sich auf der Rückseite die Dienstnummer befindet. So sollen Polizisten, falls es aus Sicherheitsgründen nötig sein sollte, das Schild kurzerhand umdrehen können, um ihren Namen zu schützen. Sie bleiben aber über die Nummer stets identifizierbar.

Nach Darstellung des Anwalts des am Samstag attackierten Demonstranten war eine erfolglose Frage des Opfers nach der Dienstnummer des Beamten dem Übergriff vorausgegangen. Der 37-Jährige hatte sich über den Umgang mit einer Demonstrantin beschwert und die vermeintlichen Übergriffe auf einem Notizblock vermerkt. Der Mann erhielt von der Polizei einen Platzverweis. Beim Gehen kam es dann zur Festnahme, bei der er mehrfach ins Gesicht geschlagen wurde. Wie erst jetzt bekannt wurde, ist dabei der Notizblock des Opfers verschwunden.

Unterdessen ist auf der Internetplattform Youtube ein zweites Video aufgetaucht, das eine gewaltsame Festnahme durch die Polizei zeigt. Wieder sollen die Übergriffe am Rand der Demonstration "Freiheit gegen Angst" am Sonnabend erfolgt sein. "Wir prüfen die Echtheit des Videos" sagte ein Polizeisprecher. Erst am Montag waren zwei Beamte versetzt worden, weil sie einen Demonstranten offenbar grundlos geschlagen hatten.

Die Kennzeichnungspflicht für Polizisten ist umstritten. „Ich begrüße sie sehr“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD, Thomas Kleineidam. Auch der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux hält die Namensschilder für richtig. „Es muss aber sichergestellt werden, dass die Regelung auch für geschlossene Einheiten gilt.“ Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) befürchtet hingegen eine Welle von unberechtigten Verfahren. „Wir lehnen die Kennzeichnungspflicht nach wie vor ab“, sagte der GdP-Bundesvorsitzende Konrad Freiberg. Schon jetzt seien die meisten Anzeigen gegen Polizisten völlig unbegründet. Darüber hinaus drohe den Beamten durch Namensschilder die Gefahr, privat bedroht zu werden.

Die Entscheidung über die Kennzeichnung ist mitbestimmungspflichtig. Das bedeutet, dass die Zustimmung der Personalvertretung der Polizei erforderlich ist. „Die Ausarbeitung soll in Kürze den Personalvertretungen zugeleitet werden“, heißt es bei der Polizei. Sollte diese sich dagegen aussprechen, muss die Einigungsstelle des Hauptpersonalrats den Konflikt lösen. Der Vorgang kann bis zu einem dreiviertel Jahr dauern. Sollte am Ende gegen Glietsch entschieden werden, kann nur der Senat die Kennzeichnungspflicht per Beschluss durchsetzen.

Bürgerrechtsgruppen wie Amnesty International fordern schon seit Jahren die Einführung der Kennzeichnungspflicht. Im Jahr 2008 gab es in Berlin 636 Anzeigen gegen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt. 615 Verfahren wurden vor Gericht eingestellt, in 6 Fällen wurden die Beschuldigten freigesprochen. 2007 waren es 771 Anzeigen.

Nach dem Polizei-Übergriff auf Teilnehmer der Datenschutz-Demonstration am vergangenen Sonnabend will Polizeipräsident Glietsch die Kennzeichnungspflicht durchsetzen - auch gegen den Widerstand von Gewerkschaften, die unberechtigte Anzeigen fürchten. Wie denken Sie darüber? Diskutieren Sie mit!

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