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Verqualmte Treppenhäuser, schwelende Mülleimer: Brandserie hält Hellersdorf in Atem

Hellersdorf hat Angst. Seit Monaten brennen nachts immer wieder Kellerverschläge oder Mülltonnen in den Plattenbauten nördlich und südlich der U-Bahn-Linie 5. Etwa 60 Mal rückte die Feuerwehr deshalb bereits zu Einsätzen aus.

Berlin - Hellersdorf hat Angst. Seit Monaten brennen nachts immer wieder Kellerverschläge oder Mülltonnen in den Plattenbauten nördlich und südlich der U-Bahn-Linie 5. Etwa 60 Mal rückte die Feuerwehr deshalb bereits zu Einsätzen aus. Am Samstagabend, die Tagesschau war gerade zu Ende, da knallte es in der Zerbster Straße 18. Andreas Hankner und seine Lebensgefährtin rissen die Tür ihrer Wohnung im zweiten Stock auf. „Das war ein Riesenfehler“, sagte Hankner am Sonntag. Eine dichte Rauchwolke stand im Treppenhaus, seine Lebensgefährtin, die ohnehin unter Asthma leidet, atmete den giftigen Qualm ein. Sofort schlossen sie die Tür, flüchteten auf den Balkon. Als das Feuer gelöscht war, wurde die Frau in die Klinik gebracht. „Montag darf sie wohl wieder raus“, sagte Hankner gestern.

Damit ist erstmals bei der Brandserie ein Mensch zu Schaden gekommen. Bislang endeten die Meldungen der Polizei regelmäßig mit dem Hinweis, dass niemand verletzt worden sei. So war es beim zweiten Feuer an einem Abend in der Zerbster Straße. Nur eine Viertelstunde nach dem Haus Nummer 18 brannte es es auch in der 84, im gleichen Typ Fünfgeschosser, ein paar hundert Meter weiter. Im Hausflur stand ein Kinderwagen in Flammen. Ein Mieter rief die Feuerwehr, einem Polizisten gelang es, den Brand zu ersticken. Der Beamte war gerade unterwegs zum Brand in der Nummer18, dadurch schneller als die Feuerwehr. Anderthalb Stunden später ging ein Müllcontainer in der Geithainer Straße in Flammen auf. Und damit war noch nicht Schluss: In der Nacht musste die Feuerwehr einen Brand im Keller in der Alten Hellersdorfer Straße 123 löschen.

Zwischen Zerbster und Geithainer Straße liegen etwa zwei Kilometer. Ist es ein mobiler Brandstifter oder sind es mehrere Täter? Die Brandkripo weiß es nicht. Für zwei Täter spricht, dass abwechselnd offen im Hof stehende Container brennen und dann Keller oder Kinderwagen. Ein Zündler will keine Menschen gefährden, der andere doch?

Andreas Hankner und andere Mieter in der Zerbster Straße 18 rätselten Sonntagnachmittag, was bei dem Feuer in ihrem Haus wohl so laut geknallt haben mag. Von einem Brandbeschleuniger munkeln sie. Ungewöhnlich ist der Knall aber auch für Experten. Brandstifter vermeiden in aller Regel Krach. Möglicherweise sei eine Campinggasflasche in einem Kellerverschlag explodiert, hieß es. „Wir hatten richtig Panik“, sagte Hankner, der ansonsten alles andere als ein ängstlicher Mensch zu sein scheint. „Das Treppenhaus war schwarz vor Rauch.“ Nicht nur er erinnerte sich schlagartig an die Katastrophe in der Moabiter Ufnaustraße vor fünf Jahren. Neun Menschen starben, weil sie in Panik durchs verqualmte Treppenhaus fliehen wollten. Ein Kind hatte einen Kinderwagen im Treppenhaus angezündet.

Vor einer Woche hatten, ebenfalls in der Zerbster Straße, in zwei Häusern Kinderwagen gebrannt. Zunächst in der Nummer 20, wiederum gegen Ende der Tagesschau, zwei Stunden später in der 96. Das ergibt mehrere Ermittlungsansätze für die Polizei: jeweils zwei Brände in einer Straße, beide an einem Wochenende zur gleichen Uhrzeit, erst brannte es an einem, dann am anderen Ende der Straße. Die Polizei hat die Streifen verstärkt, in Zivil und in Uniform.

Wer immer in Hellersdorf Feuer gelegt hat – ihm wurde es leicht gemacht. Brennbares gibt es in allen Häusern genug, auch die Kellerverschläge sind vielfach noch aus Holz. Alle Hausverwaltungen haben zwar Zettel ausgehängt, doch bitte keinen Sperrmüll und keine Kinderwagen in den Hausfluren abzustellen – nicht jeder hält sich daran. In der Alten Hellersdorfer Straße 127 zeigte ein Mieter am Sonntag zu gefährlichen Ecken: Im zweiten Stock stapelte sich Altpapier auf einem Schuhschrank. Im vierten Stock lehnten Sperrholzplatten am Fahrstuhlschacht. Eine Etage darüber standen mehrere Kinderwagen im Flur. Und im neunten Stock stand die Verbindungstür ins Nachbarhaus offen, durch einen alten Feudel am Zufallen gehindert. Hier könnte Qualm noch ins Nachbarhaus ziehen, ärgerte sich der Mieter und fügte erregt hinzu: „Nur noch Penner ziehen her.“

Doch auch die Bauweise der Häuser trägt zur Unsicherheit bei. Bei einem Brand dringt der Qualm durch die verbundenen Kellerräume von Haus zu Haus: Der Rauch aus der Alten Hellersdorfer Straße 123 zog sogar bis zur 127.

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