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Kommissar Oles

© Doris Klaas

Weinbergspark: Mit kurzem Draht zum Abschnitt

Der Weinbergspark ist das Revier von Kommissar Oles. Er kämpft mit den Anwohnern gegen die Dealer. Sie sind inzwischen auf einem guten Weg, findet der Mann klarer Worte.

Michael Oles trägt Zivil, die Dienstwaffe steckt unsichtbar unter seiner Winterjacke. Der Hauptkommissar ist 46 Jahre alt und von der Statur her jemand, mit dem man besser kein Handgemenge anzettelt. Er steht im Rosengarten, oben im Weinbergspark, und wartet. Der Drogendealer, der keine 30 Meter von ihm entfernt auf einer Bank in der Kälte sitzt, wartet auch: auf Kundschaft. Als ein Endzwanziger mit Jeans, Parka und Umhängetasche in den Park einbiegt, pfeift der Dealer halblaut und steht auf. „Komm mit!“, murmelt er, als der Parkatyp auf seiner Höhe ist.

Oles, der die Aufforderung gehört hat und hinterhergegangen ist, holt die beiden ein. „Halt mal!“, ruft er und zückt seinen Dienstausweis. Der Dealer mault: „Was ist los, das ist mein Freund!“ Der Parkatyp guckt nur dumm und schweigt. Ans Wegrennen denkt keiner von beiden. Ein Problem weniger für Oles: Schon oft sind Dealer in den nahen U-Bahnhof Rosenthaler Platz geflüchtet. Manche sogar bis in den Tunnel, direkt an der Stromschiene entlang.

Nur die Brunnenstraße trennt die Wache vom Park. Täglich sind Beamte hier, in Uniform oder in Zivil, im Dutzend oder allein. Später erzählt Oles, dass dieser Dealer – Araber, kaum 20 Jahre alt – selbst Drogen konsumiert. „Sonst wüsste der noch, dass er zuletzt vor zwei Wochen mit mir zu tun hatte. Aber der ist schon, nun ja, verblödet.“ Beim letzten Wort zögert Oles einen Moment. Weil er es nicht böse meint. Eher mitleidig. Durch professionellen Anbau sei der Gehalt des Rauschmittels THC im Haschisch enorm gestiegen. „Mal aus Neugier einen Joint rauchen? Das kann abhängig machen“, sagt er. „Die Leute werden krank, ich sehe es. Die werden apathisch. Schwerfällig, körperlich und geistig.“

Oles findet es absurd, wenn Richter manchmal selbst solche Dealer laufen lassen, die mit 30 Gramm Haschisch erwischt worden sind. Aber die Geschichte vom Kampf gegen die Windmühlen ist nicht seine. Zumindest nicht mehr seine einzige, weil es neuerdings eine andere zu erzählen gibt. Die handelt vom allseits anerkannten Brennpunkt Weinbergspark, in dem es kein Gestrüpp mehr gibt für Drogendepots. Sie handelt von Wochenenden, an denen der nunmehr gepflegte Park voll ist von unbekümmerten Menschen. Seine Geschichte handelt von Restaurants ringsum, an deren Fenstern steht: „Wer dealt, fliegt raus!“ Vor allem – und darüber staunt selbst Oles – handelt sie von Anwohnern, die den Beamten die Schlüssel zu ihren teuren Eigentumswohnungen hinterlassen, damit die sich tagsüber mit der Videokamera ans Fenster setzen und das Treiben der Dealer gerichtsfest dokumentieren können. Es gibt runde Tische, bei denen die Politiker aus dem Bezirk vernünftig miteinander reden. Viele Nachbarn haben die Durchwahl vom Abschnitt. Das Prinzip „Freund und Helfer“ beruht am Weinbergspark zunehmend auf Gegenseitigkeit. Oles, der klare Worte lieber mag als große, sagt: „Ohne jetzt herumzuquatschen: Wir sind hier auf gutem Weg.“

Vielleicht wird die 2007er-Bilanz bald das Gegenteil zeigen, zumindest auf den ersten Blick. Denn seit dem Herbst sind die Beamten besonders oft im Park unterwegs. Erst greifen sie sich die Konsumenten, dann die Dealer. Haschisch ist keine Randgruppendroge; entsprechend peinlich ist es Käufern, wenn sie mit zur Wache müssen. Deshalb sind sie der Polizei genauso wichtig wie die Dealer. Aktionswochen wie die vergangenen bedeuten zwar auf den ersten Blick besonders viele Anzeigen. Aber auf den zweiten, dass mehr aufgedeckt wird und der Druck auf Dealer wie Käufer wächst.

Der Araber und der Parkatyp haben Glück: Weil Oles weiß, dass der Dealer keine Ware dabei hat, erteilt er beiden nur Platzverweise. Sollten sie bis morgen Abend wieder im Park auftauchen, kann er sie festnehmen. Könnte sein, dass es noch heute Nachmittag passiert, beim nächsten Einsatz.

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