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Der brutale Angriff am Neptunbrunnen war rassistisch motiviert.

© Björn Seeling

Angriff am Neptunbrunnen in Berlin: Zeugen retteten Opfer wohl das Leben

Gegen die beiden Obdachlosen, die am Neptunbrunnen auf einen 48-jährigen Mann aus Guinea eingetreten haben sollen, ist Haftbefehl erlassen worden. Innensenator Henkel will die Helfer belobigen, gleichzeitig werden Forderungen nach einer neuen Wache an dem Platz laut.

Es waren erschreckende Szenen von brutaler Gewalt, die viele Menschen am Dienstagabend mit ansehen mussten: Abermals ist am Alexanderplatz ein Mensch brutal zusammengeprügelt worden. Mitten in der Öffentlichkeit, am Neptunbrunnen, wo erst vor zwei Wochen ein geistig Verwirrter bei einem Polizeieinsatz von einem Beamten erschossen worden ist. Zwei polnische Obdachlose sollen nun einen aus Guinea stammenden Mann mehrfach gegen den Kopf getreten haben. Die Polizei geht von einem rassistischen Motiv aus. Gegen die beiden mutmaßlichen Angreifer wurde am späten Mittwochnachmittag Haftbefehl wegen versuchten Mordes aus niederen Beweggründen erlassen.

Wohl nur dank des mutigen Einsatzes dreier Zeugen konnte verhindert werden, dass der 48-Jährige tot geprügelt wurde. Die beiden Tatverdächtigen 22- und 33-Jährigen wurden wenig später von Beamten des Kontaktmobil am Alex gefasst. Das Opfer befand sich laut Polizei am Mittwoch nicht mehr in Lebensgefahr. In einer ersten Vernehmung schilderte der 48-Jährige, der die portugiesische Staatsangehörigkeit hat, dass er auf einer Bank an Neptunbrunnen saß. Zwei Männer seien auf ihn zugekommen und sollen etwas auf Polnisch zu ihm gesagt haben. Da er Russisch spreche und verstehe, habe er den offenbar rassistischen Inhalt verstanden und geantwortet. Daraufhin hätten die Männer ihn brutal attackiert. Ein Zeuge, der die Tat unmittelbar mitbekommen hat, schilderte dem Tagesspiegel einen der Verdächtigen als „Glatze, sicherlich irgendwas bei 100 Kilo und muskelbepackt“. Der zweite mutmaßliche Angreifer habe das bereits am Boden liegende Opfer mehrfach gegen den Kopf getreten. Zwei Männer seien schreiend auf die Täter zugelaufen, „immer mehr Leute stürmten auf die Szenerie zu, was die Täter zur Flucht brachte“. Zwei Männer sollen die Angreifer verfolgt haben, ein dritter Zeuge habe sofort Erste Hilfe geleistet. Einige Leute am Platz, die die Gewalt mitbekamen, sollen angefangen haben zu weinen.

Immer wieder kam es zuletzt zu Gewalt am Verkehrsknotenpunkt Alexanderplatz (s. Kasten). Nach der tödlichen Attacke Mitte Oktober 2012 auf den 20-jährigen Jonny K. war Innensenator Frank Henkel (CDU) politisch unter Druck geraten. Forderungen nach einem neuen Sicherheitskonzept wurden öffentlich diskutiert. Henkel ordnete an, dass zwei Beamte mit einem Kontaktmobil auf dem Platz Dienst versehen und dass die Zusammenarbeit mit der Bundespolizei intensiviert wird. Zwar könnten die Beamten „nicht jede dieser verstörenden Gewalttaten verhindern“, wohl aber die Sichtbarkeit erhöhen und ein schnelles Eingreifen ermöglichen, hieß es. Dass ausgerechnet die Polizisten, die im Kontaktmobil Dienst hatten, jetzt die Verdächtigen festgenommen haben, zeige, dass das Konzept erfolgreich sei, sagte Polizeisprecher Stefan Redlich. Sowohl der Innensenator als auch Polizeipräsident Klaus Kandt lobten das mutige Einschreiten – Henkel beabsichtige die Männer „zu belobigen“, wie es hieß.

Doch so positiv wie der Innensenator und der Polizeipräsident sehen nicht alle das Sicherheitskonzept. Innenexperte Tom Schreiber (SPD) fordert seit der Attacke auf Jonny K. eine Kombi-Wache von Bundespolizei, Berliner Polizei und Ordnungsamt. Das Kontaktmobil bezeichnete er als „Augenwischerei“. Eine Anzeige könnten die Bürger dort nicht aufgeben, „dazu werden sie 300 Meter weiter zum Abschnitt gebeten“. In der Antwort auf eine kleine Anfrage Schreibers im Parlament heißt es, dass der Standort keiner „über die Fahrzeugausstattung hinaus gehende logistische Infrastruktur (externe Stromversorgung, funk-technische Empfangseigenschaften)“ bedarf. Eine „feste Wache“ sieht die Innenbehörde als nicht zielführend, die sichtbare Polizeipräsenz zu erhöhen.

Unter Polizisten hieß es, dass die Beamten im Kontaktmobil vor allem als „Auskunftgeber für Touristen“ da sind und darüber sogar Strichlisten führen sollen. Das Mobil sei unter der Woche von 13.30 bis 20.30 Uhr besetzt und nur am Wochenende durchgehend. Es gebe vier festgelegte Haltepunkte – der Neptunbrunnen sei nicht dabei. „Niemand darf die vier Haltepunkte verlassen“, hieß es intern. Eine halbe Stunde sollen die Polizisten dort jeweils stehen, „und in einem Umkreis von 50 Metern ums Auto laufen“. Die Beamten, die die Obdachlosen festgenommen haben, hätten streng formal gesezeh „gegen die Anweisung“ verstoßen, sagte ein Ermittler. Allerdings gelte die Anweisung, sich in der Nähe des Mobils aufzuhalten nicht, wenn ein Einsatz - etwa wie hier bei einer Straftat - es erforderlich macht.

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