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Berlin: "pour elle": Im Sommer geben Rosenstolz-Lieder den Ton an

Vorne am Tresen sitzt die einsame Wölfin. Sie trinkt ein Glas Erdbeerbowle nach dem anderen.

Vorne am Tresen sitzt die einsame Wölfin. Sie trinkt ein Glas Erdbeerbowle nach dem anderen. Sie tanzt nicht, sie trinkt. Sie spricht die Frau an, die sich neben sie setzt: "Neu hier?" Keine muss alleine nach Hause gehen. So ist es im "pour elle" seit 30 Jahren und so soll es noch lange sein. Auch wenn die älteste Frauenbar Berlins - höchst elegant "für sie" genannt - sich demnächst auch für ihn öffnet. Aus dem "pour elle" soll ein "angenehmer Absturzladen für Lesben, Schwule und Heteros" werden. Peter Plate vom Popduo "Rosenstolz" hat es gekauft. Am 13. Juli soll das "pour elle" nach kurzer Umbaupause wieder öffnen - als "P. e.".

Ein modernes Märchen führte den Popstar und die Inhaberin der Frauenbar, Margit Drexhage, zusammen. Peter Plate blätterte im schwul-lesbischen Stadtmagazin Siegessäule. "Existenz zu verkaufen", las Plate in einer Kleinanzeige. Vielleicht eine gute Geldanlage für später? Ein Telefongespräch und drei Stunden später stand er in der Kalckreuthstraße 10 vor dem "pour elle". Plüschig erschien ihm der Schöneberger Szeneladen und sehr nett die Frau, die ihn da begrüßte. Ein bisschen überrascht klingt Plate noch immer, wenn er von der ersten Begegnung erzählt. Männer tun sich mit Lesben schwerer als Frauen mit Schwulen. Und Schwule nennen Frauen wie Margit gerne "Kampflesbe".

Margit Drexhage steht seit 29 Jahren im "pour elle". Als Chefin hat die heute 55-Jährige lange genug jede Nacht "die Knochen hingehalten", sagt eine Freundin. "Margie", wie sie hier alle nennen, sieht nicht aus wie eine, die das Nachtleben so schnell umhaut: Jeans, T-Shirt, die Ärmel des Leinen-Jacketts lässig hochgekrempelt. Das Gesicht weniger solariums- als wettergegerbt. Hobby: Ackern auf ihrem Laubengrundstück im Mecklenburgischen. Diagnose: Brustkrebs.

Ein Schuss vor den Bug, der die Seele des unbeirrt gutgehenden Geschäfts "pour elle" anknackste. Sie könne sich tatsächlich vorstellen, nach drei Monaten Sommerpause nur noch einmal pro Woche hinter dem Tresen zu stehen, sagt Margit. Sie will noch was von ihrer Laube haben. Und von ihrem Enkel. Nachdem sie die Chemotherapie und die Operation überstanden hatte, suchte sie eine Käuferin für das "pour elle". Peter Plate ist ein Mann, aber er hatte einfach das beste Konzept.

"Kampflesbe?" Margit Drexhage lacht ein tiefes Lachen. Das waren die anderen, früher einmal. Selbst Alice Schwarzer sei charmant und nett geworden: "Früher fand ich die ja schrecklich, so politisch." So politisch waren in den 70er Jahren auch die Frauen aus dem Klub "Die Zwei" an der Motz-, Ecke Martin-Luther-Straße. Studentinnen und Akademikerinnen zumeist, die ihr coming out im Audimax diskutieren wollten. Die Geschlechtsgenossinnen aus dem "pour elle" nannten sie "Hausfrauen". Sie verachteten die Muttis von nebenan nicht nur dafür, dass sie sich schminkten und sexy kleideten. Sie wollten sie auch daran hindern.

Bei einer privaten Geburtstagsparty im "pour elle" der frühen Jahren kam es zur Saalschlacht, erinnert sich die Wirtin. "Geschlossene Gesellschaft", drinnen schunkelten die Damen zu Roland Kaiser und Howard Carpendale. Zehn Frauen aus dem Nachbarklub sprengten die Tür, räumten mit harter Hand den Tresen ab, warfen Barhocker ins Partygetümmel. "Jetzt sind die auch zahmer geworden", sagt Drexhage mit einem kleinen Siegerinnenlächeln.

Als Margit Drexhage 1972 im "pour elle" anfing, hatte sie gerade die Scheidung hinter sich. Nur am Wochenende konnte sie kellnern, wenn die beiden Kinder beim Vater waren. Drag Queens und Schwule und sogar Hetero-Männer lässt sie schon seit einigen Monaten herein. Angefangen hat es wohl mit dem Rosenverkäufer. Der hatte von der Türsteherin des "Die Zwei" eine geknallt bekommen, als er klingelte. Im "pour elle" war er willkommen und wurde ganze Sträuße roter Rosen an die romantischen Seelen los. Mit den Jahren seien die Damen sparsamer geworden, bemerkt die Wirtin. Aber vielleicht bringt die neue Klientel ja einen Aufschwung für den treuen Rosenmann.

Jetzt geht also Peter Plate von "Rosenstolz" ins "pour elle". Mitbringen will er die plüschbegeisterte schwule Szene und ihren schillernden Hetero-Anhang. "Plüschig" - das ist für einen wie Plate kein böses Wort. "Mut zum Kitsch auch in der Gastronomie" habe er sogleich verspürt, als er das "pour elle" zum ersten Mal sah. Gekauft, wie gesehen - mit dem Versprechen, die Atmosphäre so zu lassen, wie sie ist. Und den Frauen den Sonnabend nicht zu nehmen. Dienstags soll es Pop-Nächte mit Platten von Rosenstolz, den Beatles, Marianne Rosenberg und Frank Zappa geben - aber kein Techno. An einem Wochentag ein Cocktail-Spezial. Soweit sei das Konzept schon gediehen, sagt Herbert Schöberl, der zukünftige Geschäftsführer des "P. e.". Die Abkürzung soll signalisieren, dass etwas Neues beginnt, aber gleichzeitig weiter geht.

"Noch plüschiger und ein bisschen bunter" will Schöberl die Bar ausstatten. Derzeit sind die Wände noch im gold-braunen Streifenlook tapeziert. Stil-Leuchten mit Messing und Opalglas werfen ein mildes Licht auf die nicht mehr ganz junge Damenwelt. Die üppigen Sitzecken im hinteren Raum, wo Margies Tochter an der zweiten Bar hin und wieder Tanzmusik auflegt, sind leopardengemustert. Das harmoniert mit den gewagten Tops der femmes und kontrastiert mit den karierten Flanellhemden der eindeutig zupackenderen ladies.

Pour elle, pour lui - und auch pour nous? Geht das? Schöberl, Schauspieler und Mitinhaber des Tiergartener Lokals "Weinwirtschaft", hat schon lange einen Laden gesucht, in den er auch mal eine Freundin oder einen Heterokumpel mitnehmen kann, sagt er. Ab Mai steht Schöberl als erster Mann hinter dem Tresen. "Um den Stammgästen und mir die Angst vor dem Neuen zu nehmen."

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