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Berlin: Preußische Narren

In Berlin feierte bereits der Soldatenkönig Karneval. Beim Umzug werden eine Million Menschen erwartet

„Ach, die Preußen! Könnt ihr überhaupt Karneval feiern?“, spotteten die rheinischen Kollegen, als Walter Kassin, Präsident des Karnevalsverbands Berlin-Brandenburg vor einigen Jahren zum Bundestreffen deutscher Narrenverbände kam. „Das hat geschmerzt“, sagt er. Inzwischen hat er den rheinischen Kollegen bewiesen, dass es die Preußen können. Eine Million Zuschauer werden zum Festumzug am Sonntag erwartet. Im Zug mit rund 70 Wagen sollen 4000 Narren mitfeiern, dazu das Reitercorps der Ehrengarde der Stadt Köln. Etwa 60 Tonnen Kamellen und andere Süßigkeiten werden dann in die Menge geworfen.

Die Karnevalstradition ist in Berlin aber älter. Bereits unter Friedrich Wilhelm I., heißt es in den Publikationen des Fastnachtsmuseums, wurden am Hofe solche Feste gefeiert. Königin Sophie Charlotte reiste gerne zum Karneval nach Hannover. 1743 ließ Friedrich II. nach venezianischem Vorbild in der Lindenoper eine „Carnevalsredoute“ inszenieren.

Ende des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Karnevalsvereine in Berlin und Brandenburg von Rheinländern gegründet. Damals nahmen die Umzüge auf Berliner Straßen derartige Ausmaße an, dass sie zuweilen von der Polizei verboten wurden, die um die Ordnung bangte. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in den 50er Jahren wieder Umzüge in der Stadt. Dann kam die Mauer, die Berliner Vereine verlegten das Karnevalstreiben in Lokale oder nach Köln. Erst nach dem Mauerfall wurde der Karnevalsverband für Berlin-Brandenburg gegründet; heute gehören rund 140 Vereine dazu, davon kommen über 20 aus Berlin.

Der neue Karnevalsumzug war 2000 dennoch für die meisten Berliner Neuland. Initiiert hat ihn Harald Grunert, Mitinhaber der Ständigen Vertretung am Schiffbauerdamm in Mitte und erster Vorsitzender des Vereins Karnevals-Zug Berlin. „Das traf damals auf sehr große Skepsis“, sagt er. Der Tagesspiegel stellte den Karnevalsumzug in einem Pro und Contra zur Debatte: 91,6 Prozent der Anrufer wollten ihn nicht. Und auch mit der Verkleidung am Straßenrand klappte es anfangs nicht so wie in der närrischen Hauptstadt Köln. „Wenn jemand ein Papphütchen aufhatte, haben wir schon gewunken“, erinnert sich Walter Kassin. Auch waren einige der Vereine nicht begeistert, dass sie nun in Berlin und nicht mehr in Köln feiern sollten. Doch die Zahl der Zuschauer stieg beständig von rund 150000 im Jahr 2001 auf 750000 im Vorjahr. Daher rechnen die Organisatoren am Sonntag mit bis zu einer Million Schaulustigen.

„Wir sind gegenüber den Narren im Süden salonfähig geworden“, sagt Walter Kassin. Das hätten die preußischen Narren schon aufgrund ihrer historischen Rolle für das heutigen Narrentreiben sein können. Denn es war ein Preuße, Generalmajor von Czettritz, der 1827 die heutige Narrenkappe einführte. Sie sollte die Jecken einer Karnevalsgesellschaft von den anderen unterscheiden. Die Rheinländer griffen den Vorschlag begeistert auf, zierten die neuen Kappen mit den Farben der eigenen Gesellschaft jedoch nach revolutionärer Tradition mit den Worten „Freiheit – Gleichheit“.

Der Karnevalsumzug findet am Sonntag ab 12.11 Uhr statt. Start auf der Straße des 17. Juni, Ziel Schloßplatz, Mitte.

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