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Pro & Contra: Sollen Berlins S-Bahner auf einen Streik verzichten?

Haben die Lokführer der Berliner S-Bahnen nach dem Chaos der vergangenen Monate das Recht auf einen Streik? Werner van Bebber und Sandra Dassler sind unterschiedlicher Ansicht. Und was meinen Sie?

Von

PRO

Erbarmen! Ein Streik ist das Letzte, was die S-Bahn noch brauchen kann. Gewiss können Kunden Groll und Grimm vieler S-Bahner nachvollziehen – wie sie vielleicht auch Verständnis haben für die Streiklust der Lokführer der Bahn. Wenn ein Unternehmen allerdings derart viele Probleme durch die Gegend fährt wie die Bahn mit ihrer früher einmal vorzeigbaren Berliner Tochter und derweil als staatliche Melkkuh behandelt wird, müssen sich Manager und Politiker unangenehme Fragen gefallen lassen – nicht aber Bedienstete, die in angeblichen Aufschwungzeiten ihr Gehalt verbessern möchten. Bei Berlins S-Bahn liegen die Dinge ein wenig anders. Die S-Bahn befindet sich in einer Dauerkrise. Mit jeder Verspätung, jedem weiteren Defekt, jedem Zugausfall verliert sie mehr das Vertrauen ihrer Fahrgäste. Doch gerade Vertrauen braucht ein Verkehrsunternehmen, damit sich seine Benutzer weiterhin Monats- oder Jahreskarten kaufen. In dieser gefährlichen Lage sollten die S-Bahner zeigen, dass sie an ihre S-Bahn glauben und verlorenes Vertrauen zurückgewinnen können – auch wenn es wohl zu allerletzt die einfachen Angestellten waren, die diesen Vertrauensverlust verursacht haben. Und: Leute, die den vom Senat stets beworbenen Umstieg vom eigenen Fahrzeug auf die S- Bahn auch nur erwägen, werden mindesten zwei Winter lang sehen wollen, dass die S-Bahn rollt: Dass sie fährt, nicht dass sie – warum auch immer – schon wieder steht. Werner van Bebber

CONTRA

So hätten es manche gern: Streiken dürfen nur noch die Beschäftigten von florierenden Unternehmen, basta. Überall dort, wo es Probleme gibt, sollen die Arbeitnehmer auf ihr gutes Recht verzichten. Aus Rücksicht auf ihre Kunden, heißt es. Gemeint ist aber wohl eher: aus Rücksicht auf Unfähigkeit in Chefetagen, auf Finanz- und Wirtschaftskrisen, auf die Globalisierung oder sogar – wie im Fall der Bahn – aus Rücksicht auf Frühling, Sommer, Herbst und Winter.

Natürlich treffen die Streiks Unschuldige. Das ist aber auch so, wenn Müllmänner oder Piloten in den Ausstand treten. Ganz zu schweigen von Kindergärtnerinnen, Altenpflegern, Ärzten oder Krankenschwestern. Natürlich ist es nicht schön für die S-Bahn-Kunden, schon wieder warten und frieren zu müssen. Aber nicht die Lokführer sind an der Misere schuld. Im Gegenteil, sie sitzen mit den Kunden im selben Boot, sprich: in derselben Bahn. Sie haben in den vergangenen Monaten mit vielen anderen S-Bahn-Beschäftigten unter der Unfähigkeit ihrer Führung, dem jahrelangen Missmanagement gelitten. Sie haben den berechtigten Unmut der Reisenden zu spüren bekommen, sich anpöbeln lassen müssen und zugleich Angst um ihre Arbeitsplätze ertragen, die leichtfertig aufs Spiel gesetzt wurden und werden.

Und deshalb – auch wenn’s weh tut: Das Streikrecht gilt für alle. Auch für die Mitarbeiter der S-Bahn. Nicht obwohl, sondern weil bei ihrem Unternehmen so vieles im Argen liegt. Sandra Dassler

Und was meinen Sie, liebe Leser? Sollen Berlins S-Bahner auf die Teilnahme am Streik verzichten? Diskutieren Sie mit.

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