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Berlin: Prostitution: Seit 1. Januar ist Prostitution nicht mehr sittenwidrig

Prostituierte arbeiten seit dem 1. Januar unter neuen Bedingungen.

Prostituierte arbeiten seit dem 1. Januar unter neuen Bedingungen. Ihr Gewerbe ist mit dem Gesetz zur "Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten" als Arbeit anerkannt und gilt nicht mehr als "sittenwidrig". Jetzt können die Frauen ihren Lohn vor Gericht einklagen, sie können von Bordellbesitzern regulär beschäftigt werden und so in die Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung kommen. Noch allerdings hat sich im Alltag der Huren wenig geändert, sagt Andrea Petsch vom Verein Hydra. Verträge seien bislang nicht geschlossen worden. "Beide Seiten sind verunsichert. Die Frauen haben Angst, dass sie jeden Tag arbeiten müssen. Und die Arbeitgeber haben Angst, dass sich alle ständig krank melden."

Das neue Gesetz trat am 1. Januar in Kraft. "Wir haben 20 Jahre darauf gewartet", sagt die Huren-Aktivistin Stephanie Klee. "Jetzt brauchen wir noch ein bisschen Zeit." Gemeinsam mit anderen Huren und Bordellbesitzern gründet sie gerade einen Dachverband. Im Dezember hat Klee Infoveranstaltungen zu Arbeits-, Versicherungs- und Steuerrecht angeboten. Juristen arbeiten an Musterverträgen.

Die Problematik solcher Verträge schildert Felicitas Weigmann, Inhaberin der Bar "Psst!". Es sei schwer, ihr Risiko als Arbeitgeberin zu kalkulieren und es so abzudecken, dass die Verträge für ihre Mitarbeiterinnen noch attraktiv blieben. Wenn sie ihnen ein Grundgehalt von 750 Euro gebe, wie viele Sozialabgaben kämen dann auf sie zu? Zum Gehalt sollen "Provisionen pro Zimmer" kommen. Aber woher soll sie wissen, ob die Prostituierten nicht noch Geld für Extras einstecken? Und wie hoch soll die "Lohnfortzahlung im Krankheitsfall" ausfallen?

Die meisten von Weigmanns rund 50 Mitarbeiterinnen sind ohnehin skeptisch, wieviel Geld für sie netto übrig bleibt, wenn sie in die gesetzliche Krankenversicherung gehen und in die Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung einzahlen. Erst vier Frauen hätten Interesse an einem Arbeitsvertrag gezeigt, sagt Weigmann. Sie rechnet damit, dass sich mehr Frauen für die Selbstständigkeit entscheiden und sich freiwillig oder privat krankenversichern. Steuern zahlen mussten sie immer schon, aber viele arbeiten schwarz. Ohne Krankenversicherung sind nur wenige Prostituierten. Sie haben sich meist als Hausfrauen aufnehmen lassen und laufen Gefahr, den Versicherungsschutz zu verlieren, wenn sie enttarnt werden. Die gesetzlichen Krankenkassen sind offenbar auf ihre neuen Kundinnen vorbereitet. Bei der AOK Berlin heißt es, die Geschäftsstellen seien über das Gesetz informiert. Prostituierte würden wie andere Kunden aufgenommen werden, ob über den Arbeitgeber oder freiwillig. Bislang habe es noch keine Anfragen gegeben. Bei privaten Krankenversicherern heißt es, dass sie allenfalls bereit seien bei Huren "Einzelfallprüfungen" vorzunehmen. Denn das Risiko von Erkrankungen bei Prostituierten sei unbekannt.

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