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Blick auf den Breitscheidplatz mit der Gedächtniskirche und dem Hotel- und Bürohochhaus Upper West.

© IMAGO / Andreas Gora

Protest gegen Entwicklungskonzept: Bezirk und Senat streiten um die Zukunft der Berliner City West

Falsche Zielsetzungen und einen Alleingang wirft das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf vor allem Senatsbaudirektorin Regula Lüscher vor.

Mit scharfen Worten wenden sich Charlottenburg-Wilmersdorfer Politiker gegen das „Entwicklungskonzept City West“ der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen in Berlin. In einem einstimmigen Beschluss warf das Bezirksamt der Senatsbehörde am Dienstag vor, sie plane einen Beschluss „ohne umfangreiche öffentliche Diskussion“.

Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) sprach von einem „Affront gegen die Stadtgesellschaft“. Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) nannte die Vorlage auch inhaltlich „völlig unzureichend“ und „ein ganz dünnes Papier“.

Die Kritik gilt vor allem Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, die federführend gewesen sei. Nach einer „nichtöffentlichen und einer halböffentlichen Veranstaltung im Jahre 2018“ beschränke sich die Einbeziehung der Bürger jetzt auf ein vierwöchiges Online-Verfahren auf der Beteiligungsplattform meinberlin.de. Diese „äußerst knapp bemessene Frist“, die am Mittwoch endet, gelte auch für eine Stellungnahme des Bezirksamts.

Das Konzept soll für zentrale Bereiche in Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte und Tempelhof-Schöneberg gelten. Ihren Entwurf stellte die Stadtentwicklungsverwaltung vor wenigen Tagen in einer Videokonferenz vor. Die Diskussion sei aber fast nur von Leuten geführt worden, die „beruflich mit dem Thema zu tun haben“, kritisiert Oliver Schruoffeneger.

Aus Sicht des Bezirksamts greift das Entwicklungskonzept außerdem zu kurz, weil es den „Fokus“ auf Städtebau und besonders auf mögliche Hochhausstandorte richte. „So ein Planungsverständnis war vielleicht mal vor 50 Jahren richtig“, bemängelt der Stadtrat. Heutzutage seien Themen wie die Digitalisierung, neue Mobilität, der Klimaschutz, bezahlbare Mieten und die Wirtschaftsentwicklung mindestens ebenso wichtig, finden er und Bürgermeister Naumann. Diese Funktionen dürften nicht „städtebaulichen Fragen untergeordnet werden“.

Dem Bezirk geht es um mehr als Baupolitik und Hochhäuser

Schruoffeneger hegt den Verdacht, Regula Lüscher wolle ihre Vorstellungen darüber, wo mehr Hochhäuser gebaut werden könnten und wo nicht, „unter dem Deckmäntelchen“ eines allgemeinen Konzepts durchsetzen. Ursprünglich habe die Senatsverwaltung angekündigt, die Hochhausleitlinien separat zu entwickeln.

[340.000 Leute, 1 Newsletter: Der Autor dieses Textes, Cay Dobberke, schreibt den Tagesspiegel-Newsletter für Charlottenburg-Wilmersdorf. Den gibt es hier: leute.tagesspiegel.de]

Unterschiedliche Meinungen gibt es beispielsweise darüber, ob neue Türme auf dem Karstadt-Gelände am Kurfürstendamm sinnvoll sind. Senatsbaudirektorin Lüscher hat Pläne des Karstadt-Mutterkonzerns Signa für zwei bis drei Türme wiederholt als unverträglich für die Umgebung abgelehnt – ebenso wie das von ihr geführte Baukollegium Berlin, in dem Architekturexperten die Stadtentwicklungsverwaltung beraten. Allenfalls „Hochpunkte“ mit einer geringeren Größe sollen genehmigt werden.

Im Gegensatz dazu verweist das Bezirksamt auf einen Kompromiss, den der Berliner Senat im August 2020 mit Signa geschlossen hatte, um mehrere Kaufhäuser vor der Schließung zu bewahren. In einer Absichtserklärung stand damals über das Hochhausprojekt am Ku’damm: „Es besteht Konsens über die Bedeutung des Projekts für Signa wie für Berlin.“ Auf dem Grundstück werde eine „Nachverdichtung angestrebt“.

Bestehende Ideen wurden nicht aufgegriffen

Dafür setzt sich auch ein „WerkStadtForum“ ein. In diesem Gremium haben Bezirkspolitiker gemeinsam mit dem Gewerbeverein AG City und anderen Wirtschaftsvertretern, dem Werkbund und Anliegern wie der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche eine eigene „Charta City West 2040“ erarbeitet. Vor einem Jahr wurden 79 Ziele zur Diskussion gestellt. Das Senatskonzept erwähnt diese nicht.

Zur Wohnungspolitik heiße es lediglich, bestehende Steuerungsinstrumente sollten überprüft und weiterentwickelt werden, beklagt das Bezirksamt. Das sei „zu schwammig“, findet Schruoffeneger. Noch dazu würden ausgerechnet die im alten Haus Cumberland am Ku’damm gebauten Luxuswohnungen als Modell angepriesen.

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„Wir wollen die soziale Durchmischung“, betont der Baustadtrat. Dies gelte auch für die Hertzallee am Bahnhof Zoo, wo die Stadtentwicklungsverwaltung zwar Bürohochhäuser für sinnvoll erachte, aber kaum Ideen für eine Belebung des Quartiers habe.

Von anderen Senatsverwaltungen erwarte er „die klare Ansage“, das gesamte Planungsverfahren für das Entwicklungskonzept zu stoppen. Außerdem will Charlottenburg-Wilmersdorf seinen Protest im Rat der Bürgermeister (RdB) vorbringen. Abschließend rechnet das Bezirksamt mit einer Entscheidung im Berliner Abgeordnetenhaus, zu der es aber wohl erst nach den Wahlen im Herbst kommen werde.

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