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Berlin: Provokante Puppe

Gegen eine Galerie in Mitte wird ermittelt, weil eine Schaufenster-Installation den Papst verunglimpfte

Sie sind Nachbarn, die besten aber sicher nicht. Bekommt Mike Riemel Besuch von gegenüber, liegt meist Ärger in der Luft. Es ist zu laut. Ein Sessel steht auf dem Bürgersteig. Als dann am Mittwoch in der „Ladengalerie für Fotografie“ in Mitte das Telefon klingelte, klang sein Nachbar schrecklich resolut: Die Installation im Schaufenster sei zu entfernen, unverzüglich, gegen ihn werde ermittelt, wegen Beschimpfung von Bekenntnissen und Religionsgesellschaften. „Hier wird unsere künstlerische Freiheit eingeschränkt“, protestierte Fotograf Riemel. Genützt hat es ihm erst mal nichts: Sein Nachbar ist die Polizei, Abschnitt 31, Invalidenstraße.

So stand sie also da, nackt, gerupft, die Installation. Eine Woche lang trug die Figur auf ihrem Totenschädel einen Kardinalshut und hielt ein Holzkreuz in der Hand, jetzt waren ihr nur der Sprengstoffgürtel und das Nikolauskostüm geblieben. Neben der provokanten Puppe liegt ein Buch mit einem Zitat über Mohammed, den „Sohn des Teufels“, das die Galeristen Papst Calixtus III. zuschreiben.

Die Installation war Riemels Art, den Papstbesuch künstlerisch zu würdigen. Weil er wusste, dass das in Mitte viele, aber sicher nicht alle komisch finden, hätte ihn ein zerschlagenes oder beschmiertes Schaufenster nicht sonderlich überrascht. Doch mit staatlich verordneter „Zensur“ hat er nicht gerechnet – und vermutet jetzt Methode: Erst sei es dem Berliner Innensenator an der Deutschen Oper noch um den Kopf des Propheten gegangen, sagt Riemel. „Jetzt erregt der Sprengstoffgürtel des Papstes den Zorn der Berliner Religionspolizei.“

Die ganz große Keule also. Es ist der Streit über ein Schaufenster, das von den meisten Fußgängern eher belächelt wird. „Bemüht provokativ“, sagen die einen. „Improvisierte Hausbesetzer-Kunst“, die anderen. Riemel schwört, dass sich nicht ein Mensch bei ihm über die Installation beschwert hat. Am Sonntag aber, so haben es ihm die Anwohner berichtet, versammelten sich mehrere Polizisten vor der Galerie, Finger schwenkten durch die Luft, Köpfe wurden geschüttelt. Seitdem geht es im Schaufenster der Invalidenstraße hin und her: Dem Anruf am Mittwoch folgte am nächsten Morgen ein Brief des Polizeipräsidenten („die andauernde Störung der öffentlichen Ordnung ist zu beenden… Kardinalshut und Kreuz sind zu entfernen“). Als dann die ersten Journalisten bei der Polizei nachfragten, kam am Nachmittag erneut ein Anruf von gegenüber. Der Originalzustand dürfe nun wieder hergestellt werden, ließ ein Beamter ausrichten: „Bis zu einer Entscheidung durch die Justizbehörden.“

An, aus, an – jetzt sind Kardinalshut und Kreuz wieder da. Als Nächstes wird der Fall die Staatsanwaltschaft beschäftigen, die Strafanzeige läuft ja weiterhin. Doch Riemel steht zu seiner Puppe. Schließlich geht es hier um die Freiheit, die Kunst! Und nicht um den guten Geschmack.

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