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Am 4. Februar 2019 kam es am U-Bahnhof Alexanderplatz zu dem Angriff.

© Kai-Uwe Heinrich

Prozess gegen 41-Jährige in Berlin: Jugendliche an den Haaren ins Gleisbett gezerrt

Attacken auf Bahnhöfen sorgen immer wieder für Entsetzen. Vor dem Berliner Landgericht steht nun eine Frau wegen versuchten Totschlags.

Die Jugendliche wartete auf die U-Bahn und vertrieb sich die Zeit mit ihrem Smartphone, als sie plötzlich angegriffen wurde. „Eine Frau, die ich vorher nicht bemerkt hatte, kam von hinten und zerrte mich an den Haaren in das Gleisbett“, schilderte die 17-Jährige am Donnerstag vor dem Berliner Landgericht. Sie stürzte in den eineinhalb Meter tiefen Schacht. Die nächste Bahn sollte in etwa zwei Minuten einfahren. Huong B., die auf dem U-Bahnhof Alexanderplatz „Zufallsopfer“ einer psychisch kranken Frau wurde, hatte Glück im Unglück.

Die Staatsanwaltschaft geht von einem versuchten Totschlag aus. Die 41-jährige Thi T. soll wegen einer Erkrankung allerdings nicht schuldfähig gewesen sein. Der Ankläger strebt ihre dauerhafte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.

Es war 16.26 Uhr, als es am 4. Februar 2019 auf dem Bahnsteig der U5 zum Angriff kam – „unvermittelt und anlasslos“, so der Staatsanwalt. Thi T. habe die ihr unbekannte Jugendliche an den Haaren gepackt und in Richtung Bahnsteigkante gezogen. „Dann zerrte sie die auf dem Boden liegende Frau mit beiden Händen in das Gleisbett.“ In eine tödliche Gefahr. „Das Gleisbett war mit Schottersteinen und einem metallenen Schienenstrang versehen und führte zudem eine aktive Stromschiene.“

Die Beschuldigte nickte. „Ich habe sie geschubst“, gab die 41-Jährige zu. „Ich hatte aber absolut nicht die Absicht, die Frau zu töten.“ Warum sie junge Frau angriff? Das hänge mit ihrer Erkrankung zusammen, erklärte sie. „Ich hielt mich für eine Königin.“ Sie habe sich „böse und schief angesehen gefühlt“ und das Mädchen geschubst. „Mir war nicht bewusst, dass es für sie den Tod bedeuten könnte.“ Sie habe damals „ein bisschen an Schizophrenie gelitten“. Inzwischen nehme sie andere Medikamente und fühle sich wieder gesund, so die Beschuldigte.

Immer wieder Angriffe an Bahnsteigen

Angriffe auf Bahnhöfen sorgen bundesweit immer wieder für Entsetzen. Am Montag ist ein achtjähriger Junge im Frankfurter Hauptbahnhof von einem Mann vor einen einfahrenden ICE in den Tod gestoßen worden. Eine 34-jährige Frau starb wenige Tage zuvor in der niederrheinischen Stadt Voerde – ein Mann hatte sie vor eine einfahrende Regionalbahn gestoßen. In Berlin war es Anfang 2016 zu einem tödlichen Angriff gekommen: Die 20-jährige Amanda K. wurde auf am U-Bahnhof Ernst-Reuter-Platz unvermittelt vor eine Bahn gestoßen. Der Täter handelte im Wahn, war nicht schuldfähig.

Thi T. ist seit längerem erkrankt. Etwa 2012 habe sie eine psychiatrische Diagnose und Medikamente bekommen, so die Beschuldigte. „Aber in meinem Kopf existiert nicht der Gedanke, Menschen zu töten“, versicherte sie. Damals habe sie sich „Situationen eingebildet“. Am Tag, als es zum Angriff auf dem U-Bahnhof kam, habe sie sich zunächst mit ihrem Freund gestritten. Dann habe sie eine Schlägerei angefangen und schließlich das Mädchen geschubst.

Bilder einer Überwachungskamera dokumentierten den Angriff. Innerhalb von zwölf Sekunden lag die damalige Schülerin im Gleisbett. Zwei Männer eilten dem Opfer zu Hilfe. Andere Fahrgäste sahen kaum auf. Etwa zwei Minuten blieben bis zur nächsten Bahn. Wie in einem Actionfilm hangelte sich Huong B. nach oben – leicht verletzt, in Todesangst.

Thi T. habe verwirrt gewirkt, schilderte ein Polizist. „Tot, tot, tot“ habe sie gemurmelt und von Stimmen gesprochen, die sie zum Töten aufgefordert hätten. Seit dem Vorfall befindet sich die 41-Jährige vorläufig in einem psychiatrischen Krankenhaus. Ob sie dort weiterhin bleiben muss, wird das Gericht voraussichtlich am 2. September entscheiden.

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