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Silvio S. wurde 2016 zu lebenslanger Haft verurteilt, eine Sicherungsverwahrung jedoch nicht verhängt.

© Julian Stähle/dpa

Prozess in Potsdam: Vorerst keine Sicherungsverwahrung für Kindermörder Silvio S.

Die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung für den zweifachen Kindermörder Silvio S. wurde vertagt – auf einen unbekannten Zeitpunkt in 20 Jahren.

Ob der Mörder der beiden Jungen Elias und Mohamed, Silvio S., jemals wieder in Freiheit kommt, ist weiter völlig ungewiss. Das Landgericht Potsdam hat am Freitag wie schon im ersten Prozess 2016 keine Sicherungsverwahrung für den 36-jährigen Brandenburger angeordnet – allerdings die Möglichkeit der nachträglichen Verhängung von Sicherungsverwahrung eröffnet.

Silvio S. hat den sechsjährigen Elias aus Potsdam und den vierjährigen Flüchtlingsjungen Mohamed aus Berlin 2015 entführt, missbraucht und getötet. Vor einer möglichen Haftentlassung in vielleicht 20 Jahren soll das Gericht mit Hilfe eines dann aktuellen Gutachtens prüfen, ob Silvio S. weiter eine Gefahr für die Allgemeinheit und zudem ein sogenannter Hangtäter ist, der ein eingeschliffenes Verhalten zeigt, das ihn zu immer weiteren schweren Straftaten treibt.

Das sind die beiden Voraussetzungen, um eine Sicherungsverwahrung anordnen zu können. Die Gefährlichkeit sah das Gericht als erwiesen an. Dass Silvio S. einen Hang zu solchen Taten habe, sei zwar wahrscheinlich, sagte der Vorsitzende Richter Klaus Feldmann, aber nicht erwiesen. Für einen Hang spreche etwa, dass er bei den beiden innerhalb weniger Monate begangenen Taten Dominanz, Brutalität und Kaltblütigkeit an den Tag gelegt habe.

Außerdem plante S. die Taten akribisch, schrieb sich Regiezettel, simulierte den Missbrauch mit einer Puppe in Kindergröße und filmte sich dabei. Gegen einen Hang spreche, dass Silvio S., der im Haus seiner Eltern in dem Dorf Kaltenborn (Teltow-Fläming) lebte und als Einzelgänger galt, vorher ein unbescholtenes Leben geführt habe und erst im relativ hohen Alter straffällig geworden sei.

Silvio S. hat sich nicht zum Motiv seiner Taten geäußert

Das Gericht folgte damit dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Matthias Lammel, der erklärte hatte, einen Hang weder nachweisen noch ausschließen zu können – unter anderem, weil sich S. nicht zum Motiv seiner Taten geäußert habe. Auch im Revisionsprozess schwieg der ehemalige Wachschützer, der vor drei Jahren zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden war.

Auch die besondere Schwere der Schuld stellten die Richter damals fest, was eine Entlassung auf Bewährung nach 15 Jahren Haft erschwert. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung hatte das Gericht 2016 abgelehnt – auch auf Grundlage des Lammel-Gutachtens. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Revision beim Bundesgerichtshof ein, der dieser folgte.

Der jetzige Entscheid des Landgerichts, gegen den wieder Revision möglich ist, sei absurd, sagte Verteidiger Mathias Noll. Sein Mandant könne bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohnehin nur auf Bewährung entlassen werden, wenn Gutachter seine Ungefährlichkeit bescheinigen.

Der Angeklagte habe das Recht auf ein faires Verfahren

Damit habe sich die Frage der Sicherungsverwahrung aus seiner Sicht erledigt. Die Sicherungsverwahrung ist anders als die Haft keine Strafe für ein Verbrechen. Sie dient dazu, die Allgemeinheit vor Tätern zu schützen, die ihre Strafe verbüßt haben, aber weiter als gefährlich gelten.

Er sei im Laufe des Prozesses oft angesprochen worden, sagt Richter Feldmann. Er wisse, dass die Volksseele sich wünsche, dass Silvio S. „auf Nimmerwiedersehen in einem dunklen Loch verschwinde – oder Schlimmeres“. Aber auch wenn er grausame Taten begangen habe, habe der Angeklagte das Recht auf ein faires Verfahren. Es sei daher nicht Aufgabe des Gerichts, immer neue Gutachter heranzuziehen, bis das Ergebnis allen Prozessbeteiligten oder der Volksseele gefalle.

Die Nebenklage hatte einen Befangenheitsantrag gegen den Gutachter gestellt

Gutachter Matthias Lammel sei einer der renommiertesten forensischen Psychiater in Berlin und Brandenburg. Das Gericht zweifle nicht an seiner Kompetenz. Nebenklage-Anwalt Andreas Schulz, der die Familie des ermordeten Mohamed vertritt, hatte an einem der vorherigen Prozesstage erfolglos einen Befangenheitsantrag gegen den Gutachter gestellt.

Er wolle am letzten von sieben Prozesstagen das Augenmerk auf die Opfer und die Familien legen, sagte Richter Feldmann bei seiner Urteilsverkündung, zu der auch die Mutter des getöteten Elias erstmals im Gerichtssaal erschien. Der Fall habe großes Mitgefühl ausgelöst. „Das, was Sie diesen Jungen und ihren Familien angetan haben, ist an niemandem spurlos vorüber gegangen“, sagte er zu Silvio S. Der nahm das Urteil unbewegt zu Kenntnis.

Marion Kaufmann

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