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Berlin: Prozess um Schmerzmittel-Missbrauch: Statt des besonderen Kicks ein tragischer Tod

Nach dem ersten Mal sprachen Jörg K. und Daniel P.

Nach dem ersten Mal sprachen Jörg K. und Daniel P. von einer "großen Dummheit". Als die beiden Ärzte fünf Monate später erneut angetrunken zu einem Schmerzmittel griffen, um so einen "besonderen Kick" zu erleben, kam für Jörg K. jede Hilfe zu spät. Der 34-Jährige starb am frühen Morgen des 18. März letzten Jahres an einer Atemlähmung, verursacht durch eine hohe Dosis "Dipidolor". Hatten sich die Mediziner das Medikament gegenseitig gespritzt? Ist Daniel P. deshalb für das unglückliche Geschehen wegen fahrlässiger Tötung zur Verantwortung zu ziehen? Gestern verhandelte das Berliner Landgericht über den Fall.

Die beiden Ärzte arbeiteten in einer Charlottenburger Praxis. Jörg K. war zwar der jüngere, aber weitaus erfahrenere Mediziner. "Er war für mich ein Vorbild, wir hatten ein fast brüderliches, zeitweilig auch intimes Verhältnis", sagte der Angeklagte. Sehr fachkompetent sei sein Freund gewesen. Nach dem anstrengenden Dienst habe K. manchmal nach der Devise "was kostet die Welt" gelebt. Im Oktober 1999 schlug er nach Angaben des 38-jährigen Angeklagten das erste Mal den Konsum eines Betäubungsmittels aus dem Arztkoffer vor. Nach der Injektion aber wurde K. bewusstlos und atmete schwer. P. alarmierte einen Kollegen, der K. durch ein Gegenmittel das Leben rettete.

Dann kam die Nacht im März. Nach einem Lokalbesuch habe K. vorgeschlagen, das Opiat aus der Praxis zu holen, sagte der Angeklagte. Er sei zunächst dagegen gewesen, habe sich aber breit schlagen lassen. "In meiner Wohnung hat Jörg sich selbst und mich gespritzt", widersprach P. der Anklage. Die Staatsanwaltschaft war davon ausgegangen, dass P. seinem Freund das Mittel injiziert haben muss, weil bei Rechtshänder K. Einstiche im rechten Arm festgestellt worden waren. Er habe sich wohl mit der linken Hand gespritzt, weil rechts die Venen besser zu sehen waren, sagte dazu der Angeklagte.

Aus Sicht von Daniel P., der damals gerade mit seinem neuen Lebensgefährten zusammenziehen wollte, war sein Freund "zwar ein bisschen eifersüchtig, aber nicht suizidal". Ein 57-jähriger Arzt aus der Praxis schloss dagegen nicht aus, dass der auf Schmerzmittel empfindlich reagierende K. eine Selbsttötung riskiert haben könnte. K., der vor allem HIV-infizierte Patienten betreute und als Teilhaber in der Praxis aufgenommen werden sollte, sei möglicherweise beruflich überfordert gewesen, und in seinem privaten Bereich habe eine "gewisse Leere" geherrscht.

Der Angeklagte sprach von einer "großen Last", die er nach dem Tod seines Freundes zu tragen habe. Die Richter gingen schließlich davon aus, dass die Initiative zum Spritzen des Opiats von K. ausging. P. habe seinem erfahrenen Kollegen vertraut, hieß es im Urteil. Eine fahrlässige Tötung sei nicht nachgewiesen worden. Für die Richter stand aber fest, dass das Schmerzmittel aus dem Arztkoffer von P. stammte. Wegen unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln wurde er zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt.

Kerstin Gehrke

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