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In insgesamt 400 U18-Wahllokalen kann in ganz Berlin abgestimmt werden, sie sind in Schulen, Freizeitstätten und Jugendzentren eingerichtet.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Pünktlich zum Tag der Demokratie: In Berlin können Jugendliche jetzt symbolisch wählen

In Berlin startet die U18-Wahl mit symbolischen Stimmen für Bundestag und Abgeordnetenhaus. Jüngere sollen für politisches Engagement begeistert werden.

Demokratie beginnt nicht erst im Bundestag. Das versucht Hardy Halling den Kindern und Jugendlichen, mit denen er arbeitet, in diesen Tagen zu vermitteln. „Bei den Jüngeren beginnt das schon bei der gemeinsamen Entscheidung über Ausflugsziele oder das Mittagessen“, sagt er. Halling ist Leiter der Kinder- und Jugendfreizeitstätte TreibHaus in Marzahn-Hellersdorf, „Wir hören oft: Politik interessiert mich nicht.“

Passend zum von der UN auf den 15. September datierten Tag der Demokratie dürfen deshalb in dieser Woche alle unter 18-Jährigen in Berlin symbolisch den künftigen Bundestag und das Abgeordnetenhaus wählen.

Die sogenannte U18-Wahl wird seit 1996 kurz vor offiziellen Wahlterminen abgehalten, und soll Jugendlichen möglichst früh politisches Engagement nahebringen. Weder Staatsangehörigkeit noch Mindestalter sind Voraussetzung.

Bei der letzten U18-Wahl in Berlin wurden laut Barbara Mayrhofer aus der Berliner U18-Landeskoordination rund 40.000 Stimmen abgegeben – „diesmal dürften es noch einige tausend mehr werden“, sagt sie. Denn die Zahl der Wahllokale sei gestiegen und Kinder und Jugendliche politischer geworden, „insbesondere mit dem Beginn von Fridays for Future.“

Das Wichtigste an der U18-Wahl sei allerdings nicht die Abstimmung selbst, die keine direkten Konsequenzen hat, sondern die Diskussion vorab in den Kinder- und Jugendgruppen. Auf einer Veranstaltung im Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ) in Köpenick traf Mayrhofer eine Willkommensklasse aus Marzahn-Hellersdorf. In solchen Willkommensklassen werden Kinder und Jugendliche unterrichtet, die noch nicht lange in Deutschland leben.

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Dort verbessern sie ihre Sprachkenntnisse, werden auf die reguläre Klasse vorbereitet und lernen den Alltag in der Schule kennen. „Manche haben gesagt, ich möchte bei der U18-Wahl nicht wählen, weil ich mich nicht gut genug auskenne“, sagt Mayrhofer. „Andere haben gesagt, ich weiß nicht, warum ich jetzt wählen soll, denn ich kann auch später nicht wählen.“

Die Gründe für diese Aussagen seien verschieden. „Viele wollen die Heimat-Staatsangehörigkeit ihrer Eltern nicht für das deutsche Wahlrecht aufgeben.“ Außerdem gebe es Jugendliche, deren Zukunft in Deutschland unklar sei. „Diese wünschen sich die deutsche Staatsangehörigkeit, es ist aber unklar, ob sie diese künftig bekommen können“, sagt Mayrhofer. Ziel der U18-Wahl sei daher auch, die Frage zu thematisieren, warum viele Menschen, die in Berlin leben, nicht wählen dürfen – bei der kommenden Wahl betrifft das knapp 800 000 erwachsene Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit.

Zum Abschluss gibt es eine Wahlsendung inklusive Hochrechnung

Im Anschluss an die U18-Wahl steht in den Schulen und Jugendeinrichtungen die Nachbereitung an. „Manche Kinder fragen sich, wofür habe ich jetzt gewählt, wenn es nichts ändert“, sagt Mayrhofer. Nach der Wahl will man den Jugendlichen daher Möglichkeiten zeigen, sich demokratisch einzubringen. 

„Da geht es zunächst um die Interessen der Kinder, danach empfehlen wir Jugendgruppen, Aktivismus und Gremien oder auch Möglichkeiten, sich in der Schule zu engagieren.“ Träger der U18-Initiative sind das Deutsche Kinderhilfswerk, der Deutsche Bundesjugendring sowie die Landesjugendringe und das Berliner U18-Netzwerk.

Der Sender „Alex Berlin“ und das Informationsportal für Jugendliche „jup!“ senden zum Abschluss der U18-Wahl am 17. September eine Wahlsendung inklusive Hochrechnung, diese wird im TreibHaus in der Allee der Kosmonauten mit Beamer und Leinwand übertragen, sagt Hardy Halling. Bis dahin kann nicht nur dort abgestimmt werden, sondern auch in insgesamt knapp 400 U18-Wahllokalen in ganz Berlin, die in Schulen, Freizeitstätten und Jugendzentren eingerichtet wurden.

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Der U18-Wahlzeitraum überschneidet sich mit den Veranstaltungen rund um den offiziellen Tag der Demokratie am 15. September. Dieser widmet sich thematisch Kindern und Jugendlichen und Menschen mit Rassismuserfahrungen, also Gruppen, die in demokratischen Prozessen häufig unterrepräsentiert sind. Die Bandbreite der Events reicht von Online-Sprachcafés für Muttersprachler und Deutsch-Lernende über Stadtspaziergänge zu rassistischer oder antisemitischer Gewalt.

Der Demokratietag findet in diesem Jahr zum zweiten Mal statt, organisiert wird er von der Stiftung Zukunft Berlin, dem Migrationsrat Berlin und der Initiative Offene Gesellschaft. Bei den bisherigen Veranstaltungen des diesjährigen Demokratietages ist laut Pressestelle der Umgang von Schulen mit Rassismus und Diskriminierung immer wieder angesprochen worden. „Als Beispiel wurden rassistische Polizeikontrollen auf dem Weg zur Schule genannt“, hieß es. Außerdem sei die Schule als verschlossener und intransparenter Ort beschrieben worden, was Interventionen erschwere.

Marian Schuth

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