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Der Fotograf Cecil Beaton in den 1930ern.

© Studiocanal

Im Kino: Doku über Cecil Beaton: Stilikone aus der falschen Klasse

Er haderte mit dem Establishment und mit seiner Homosexualität: Lisa Immordino Vreeland hat der britischen Stilikone Cecil Beaton eine Doku gewidmet.

„Ich habe die Menschen einfach gern schockiert.“ Und das ging damals, in den 20ern in Cambridge, als Klassenzugehörigkeit nicht nur das wichtigste, sondern das einzige Kriterium für das Urteil der Mitmenschen war, mit Abendkleidern und Make-up ganz gut. Jedenfalls, wenn sie von einem jungen Mann getragen wurden: Cecil Beaton, ästhetisches Multitalent, weltberühmter Fotograf, Autor, Kostüm- und Bühnenbildner, hatte schon als 20-jähriger Student einen Sinn für das Pompöse und für „Drag“. Drei Jahre war er an der renommierten Universität eingeschrieben, eine Vorlesung besuchte er nie. Stattdessen baute er eine Theatergruppe auf und entwarf Kostüme – üppige Roben und ebensolchen Schmuck.

Die Regisseurin Lisa Immordino Vreeland, Schwiegerenkelin der „Vogue“-Chefredakteurin, Designerin und Kritikerin Diana Vreeland, hat sich für ihr drittes Porträt nach Diana Vreeland und Peggy Guggenheim wieder eine Stilikone vorgenommen. Sie erzählt die Geschichte Cecil Beatons, der 1980 im Alter von 76 Jahren starb, als klassischen Dokumentarfilm mit Talking Heads, dazu liest Rupert Everett aus Beatons veröffentlichten Tagebüchern. Der Film gibt auch Einblick in den überwältigenden Fotonachlass und ergänzt den Bilderbogen mit Filmszenen mit Beatons oscarprämierten, extravaganten Kostümen für „My Fair Lady“.

Ein antisemitisches Schimpfwort hätte Beaton fast die Karriere gekostet

„Vogue“-Autor Hamish Bowles tastet sich an Beatons Schwierigkeiten mit dem Establishment und seiner Homosexualität heran, der Fotograf David Bailey, den eine Freund-Feindschaft mit Beaton verband, kommt genauso zu Wort wie moderne Fotografen. Aufschlussreich sind auch ein Original-Fernsehinterview mit Beaton aus den Siebzigern und Ausschnitte aus einem Gespräch zwischen Diana Vreeland und Truman Capote über einen Mann, der – darin stimmen die Kommentatoren überein – stets damit haderte, nicht in die „richtige“ Klasse hineingeboren worden zu sein. Denn die anderen bright young things der dreißiger Jahre, mit denen Beaton verkehrte, hatten das alte Geld und den dazugehörigen Snobismus allesamt mit der Muttermilch aufgesogen: „He’s English so he knows his place“, sagt ein Biograf.

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Beatons Leben war ein kompliziertes Auf und Ab. Ein antisemitisches Schimpfwort, das sich in einer seiner „Vogue“-Karikaturen fand, hätte ihn 1938 fast die Karriere gekostet. Obwohl damals weder Vreeland noch Beaton erklären konnten, was ihn dazu getrieben hat, bekam er eine zweite Chance – mit ikonischen Fotos der Queen of England, die diese 1939 in Auftrag gab. Die ungewöhnlichen Kriegsfotoserien, die Beaton wenig später erstellte, festigten seinen Ruf. Und es ist wiederum der „Vogue“-Autor Bowles, der unvoreingenommen und alert einen Zusammenhang zwischen den merkwürdig sinnlichen Soldatenbildern und Beatons Homosexualität herstellt.

Schöne Bilder und spitzbübische Bonmots

Solch spannende Metaanalysen sind in Vreelands Film jedoch viel zu selten, meist überwiegt die gediegene, affirmative Hommage zu schlecht ausgewählter Musik. Fast scheint es, als hinge Vreelands Interesse an Protagonisten viel mit ihren Möglichkeiten zusammen: Je näher die Ausgewählten an „Vogue“ und dem Archiv des Verlags Condé Nast kleben, desto größer die Chance, das Sujet für einen ihrer Filme zu werden. Tiefer als eine Modezeitung gräbt sie dabei nicht.

Nichtsdestotrotz wartet ihr Dokumentarfilm mit schönen Bildern und spitzbübischen Bonmots aus dem Mund Beatons auf: „In Elizabeth Taylor“, ätzt der britische Gentleman in einem Interview mit charakteristisch hoher Stimme, „vereinigt sich der schlechteste Geschmack Englands und der USA.“ Das sitzt. Fast besser als seine Kleider.

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