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LGBTI-Community in einer Moschee. Anlass war ein Treffen im Rahmen der Kampagne „meet2respect“.

© Susanne Kappe

Moschee in Berlin-Neukölln: "LGBTI meets Islam"

Die umstrittene Dar-as-Salam-Moschee in Neukölln gibt sich liberal und lädt Homosexuelle ein. Sie schließt in ihrer Toleranz jedoch Extremismus nicht aus.

Von Frank Jansen

Der Imam huscht beinahe lautlos über den dicken Teppich. Mohamed Taha Sabri, sorgfältig gestutzter grauweißer Bart, das lange, weiße Gewand reicht bis zu den nackten Füßen, begrüßt die Gäste mit Händedruck und gedämpfter Stimme. Gerade erst haben mehrere Männer nach einem Totengebet einen Sarg aus der Dar-as-Salam-Moschee hinausgetragen.

Doch die Stimmung in der Halle mit dem gewaltigen Kronleuchter und den Kalligraphien an den zwei Emporen lockert sich bald.
Mitten im großen Gebetsraum, die Teppichornamente zeigen in Richtung Mekka, stellen Mitglieder der Gemeinde Stühle zu einem größeren Kreis zusammen. An diesem Montagabend steht ein ungewöhnlicher Termin an. Der Imam und weitere Gemeindemitglieder wollen mit Leuten diskutieren, die in vielen der meist konservativen Moscheen nur ungern gesehen würden - homosexuelle Männer, außerdem ist keiner Muslim. Ein heikles Experiment in dem Gotteshaus, das sich auch als „Neuköllner Begegnungsstätte“ präsentiert - und in Berlin als umstritten gilt.

Sabri wollte zunächst auch den Reporter des Tagesspiegels nicht dabei haben. Die Artikel über die Nennung der Moschee in Berichten des Verfassungsschutzes wegen Kontakten zur islamistischen Muslimbruderschaft haben den Imam geärgert. Obwohl oder gerade weil ihn im Oktober 2015 der Regierende Bürgermeister Michael Müller mit dem Verdienstorden des Landes Berlin ausgezeichnet hatte. Doch Sabri ließ sich vom Geschäftsführer des Vereins Leadership Berlin - Netzwerk Verantwortung, Bernhard Heider, umstimmen. Heider hat das Treffen im Rahmen der Vereinskampagne „meet2respect“ initiiert, „im Sinne von LGBTI meets Islam“. LGBTI ist die englische Abkürzung für Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transsexuell/Transgender und Intersexuell. Für strenggläubige Muslime alles Sünde. „Es gibt eine starke Ablehnung“, sagt Sabri. Aber er habe in seinen Predigten betont, „man muss verschiedene Formen der Lebensweisen achten“. Das kommt gut an bei den Gästen, zumal in der LGBTI-community die Angst vor homophoben Angriffen junger Machomuslime weit verbreitet ist.

Die schwule Gemeinschaft möchte akzeptiert werden und hier gut leben können“, sagt Werner Gräßle, Präsident des Amtsgerichts Lichtenberg. Dann spricht er von „alten Erfahrungen, dass man das Fremde kennenlernen muss, um die Angst zu verlieren“. Und er fordert den Imam auf, den Jugendlichen in seiner Gemeinde über die Diskussionsrunde zu berichten. „Erzählen Sie, diese Veranstaltung gab es“.

Dann kommt allerdings auch zur Sprache, dass die Dar-as-Salam-Moschee trotz der demonstrativen Liberalität ein widersprüchliches Bild abgibt. Vielleicht weil Toleranz in einer Weise praktiziert wird, die auch Extremisten nicht ausschließt, zum Beispiel einen homophoben Hassprediger.

Vor zwei Jahren trat in der Moschee der saudische Islamist Mohammed al Arifi auf. Sicherheitskreise berichten, al Arifi verdamme Homosexuelle, Juden und Schiiten und habe wiederholt zum bewaffneten Dschihad in Syrien aufgerufen. Außerdem rate er muslimischen Ehemännern, ihre Frauen mit Schlägen zu züchtigen.

Extremisten predigten in der Dar-as-Salam-Moschee

Al Arifi war zudem nicht der einzige Extremist, der in der Moschee predigen konnte. Im November 2014 tat das der aus Israel stammende Araber Raed Fathi. Er stehe der palästinensischen Terrorbewegung Hamas nahe und habe den Mentor von Osama bin Laden, Abdullah Azzam, als „Helden“ gelobt, sagen Sicherheitsexperten. Wie passt das alles zur Aura der Güte, die Sabri skizziert?
Sein Ton wechselt bei den Fragen des Tagesspiegels von weich zu fest.

„Ich habe al Arifi nicht eingeladen.“ Der Prediger sei „aus einem medizinischen Grund“ in Berlin gewesen. Dass al Arifi wegen seiner Hetze von den Schengen-Staaten mit einem Einreiseverbot belegt war, ist offenbar Nebensache. Sabri beugt sich vor, „ich habe ihm gesagt, keine politischen Äußerungen“. Al Arifi habe dann nur über „theologische Dinge“ gesprochen, „wie man sich verhalten muss“. Aber nicht über Sexualität und Frauen. Al Arifi sei eine Autorität, sagt Sabri, „er ist ganz berühmt“.

Die arabisch-muslimische Gemeinschaft in Berlin kenne al Arifi „durch Satellitenempfang“. Es klingt, als habe der Imam seiner Gemeinde nicht zumuten wollen, al Arifi nur als einfachen Beter in die Moschee zu lassen. „Sie müssen wissen“, Sabris Ton wird wieder sanft, „von unserer Geschichte her, wir haben Beziehungen, wir haben viele Kreuzungen, ich kann nicht von heute auf morgen sagen, ich bin allein“. Die Gäste hören beim Disput zwischen Tagesspiegel und Imam interessiert zu, sagen aber nichts. Auch nicht, als der Geschäftsführer des Moscheevereins, Shadi Mousa, jede Verbindung zur „Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD)“ bestreitet. Sie ist laut Verfassungsschutz die mitgliederstärkste Organisation von Anhängern der Muslimbruderschaft in der Bundesrepublik. Sabri verabschiedet die Gäste mit den Worten, „ohne Dialog ist nix“. Er verweist auf Toleranz und „Zusammenleben“ und erwähnt den griechischen Philosophen Sokrates. Die meisten Gäste nicken. Jeder bekommt vom Imam nochmal einen Händedruck.

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