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Die RadioBox in der Marheineke-Markthalle soll neue Kontaktmöglichkeiten bieten. Die Idee hatte Brigitta Gabrin, Chefredakteurin von multicult.fm.

© Mike Wolff

Berliner Flüchtlingsprojekt: Radioprojekt für Geflüchtete in Kreuzberg startet

In der Marheineke-Markthalle in Kreuzberg, direkt beim Studio von Radio Multicult.fm, startet am Freitag ein Radioprojekt für Geflüchtete.

Auf den ersten Blick sieht das Gehäuse neben dem Tresen des Café aus wie eine normale Telefonzelle. Damit endet aber auch schon die Ähnlichkeit. Bei welcher Telefonzelle geht schon ein Rotlicht an, wenn sie besetzt ist? Bei welcher Telefonzelle muss man auf einem Touch-Display wählen, ob man englisch, arabisch, französisch, spanisch oder auf Farsi los plappert? Und  welche Telefonzelle ist schon mit einem mobilen Aufnahmestudio ausgestattet, das dann die  eigenen Worte aufzeichnet? Und wenn sie einem nicht gefallen, diese Worte, kann man sie sogar löschen und alles neu erzählen.

In der Marheineke Markthalle in Kreuzberg, im ersten Stock, direkt beim Studio von Radio multicult.fm, entsteht mit der „multicult Plaza“ ein völlig neues Flüchtlingsprojekt, gefördert vom Bundes-Innenministerium. Ein Projekt, das bundesweit einzigartig ist. „Wir machen dort weiter, wo die klassische Integrationshilfe aufhört und wollen  die Entstehung  von Parallelgesellschaften verhindern.

Hier kann ein Miteinander von Geflüchteten und der multikulturellen Aufnahmegesellschaft  alltäglich werden. Auseinandersetzungen inbegriffen.“, sagt Brigitta Gabrin. Sie ist die Chefredakteurin von  multicult.fm, sie hatte die Idee mit der Telefonzelle. Nur heißt die bei ihr jetzt RadioBox.

Die Idee ist einfach: Wer wegen der drangvollen Enge im den Notunterkünften oder strapaziöser Warterei bei Behörden genervt ist, der kann in der Zelle über seine Probleme in ein Mikrofon sprechen. Er kann aber auch nur seine Hilfe bei kleinen Jobs anbieten. „Kann gut nähen, wer braucht meine Hilfe“, so etwas. Oder er grüßt schlicht  nur Freunde oder Bekannte. Jeder Audio-Beitrag landet im Studio von multicult.fm.

Das befindet sich praktischerweise direkt hinter der Box. Durch das Studiofenster kann man sogar die Moderatoren beobachten. Die Beiträge werden – sofern sendefähig – später übers Radio verbreitet, in jenen Sendungen, die dafür thematisch passen. Eine Mischung aus speakers corner und Jobbörse. Brigitta Gabrin nennt es so: „Ein niederschwelliges Angebot zur medialen Partizipation.“

Im Café treffen Flüchtlinge und Einheimische zusammen

Es ist ja auch einfacher, in der Zelle, allein, unbeobachtet, seine Sorgen los zu werden  als mit Behördenmitarbeitern zu streiten oder mit Sozialarbeitern zu diskutieren. Und direkt neben der Zelle liegt ein Café. Die meisten Flüchtlinge wissen nicht, dass der Mitarbeiter hinter dem Tresen ein Journalist ist, der sie nicht bloß zufällig mit dem deutschen Gast bekannt macht, der gerade auch seinen Kaffee schlürft.

Das Café gehört zum Projekt, dort hängen internationalen Zeitungen aus. Die sind interessant für Flüchtlinge. Und die dann kommen, sollen sie bei dieser Gelegenheit  mit der einheimischen Bevölkerung zusammentreffen. Hier sollen Kontakte und längere Gespräche entstehen.. "Im optimalen Fall“, sagt Brigitta Gabrin, „sind die Flüchtlinge schon ein paar Mal da gewesen  und haben  dem Mitarbeiter über  ihre besonderen Fähigkeiten erzählt.“ Und wenn dieser Mitarbeiter dann mitbekommt, dass ein Einheimischer gerade  jemanden mit diesen Fähigkeiten für einen kleinen Job sucht, dann  bringt er den Flüchtling und den Gast zusammen. Und schon entstehen Kontakte.

Brisante Themen werden aufgearbeitet

Natürlich erfährt ein Flüchtling im Café auch, dass er die Zelle nützen darf. In der hat dann jeder Nutzer zweimal die Chance, seinen Beitrag zu löschen. Beim dritten Mal muss es dann klappen. Das ganze Material wird von der Redaktion von multicult.fm gefiltert. Die RadioBox soll ja keine Plattform für wilde Pöbeleien oder IS-Propaganda werden. Nur sendefähige Beiträge werden ins Programm aufgenommen.

Und  Probleme werden nicht bloß im Studio aufgegriffen. „Wenn die Audiopostings uns zeigen, dass ein Thema unter den Nägeln brennt“, sagt Brigitta Gabrin, „machen wir in der Markthalle einen Runden Tisch zu diesem Problem.“ Behördenvertreter, Politiker, andere Verantwortliche und Betroffene diskutieren dann öffentlich. Das lockt dann auch wieder Menschen an und führt sie ins Café. Ein kommunikatives, positiv besetztes Schneeballsystem. Das Projekt beginnt zwar in der Marheineke Markthalle. Aber die Zelle ist ja mobil. Bald steht sie ein paar Kilometer weiter.  Im Januar wird sie in den Hangars des Tempelhofer Feldes aufgebaut.

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