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Berlin: Radler-Stau auf der Avus

250 000 Teilnehmer bei der Sternfahrt durch Berlin

Tatsächlich: Auch zu viele Fahrräder können einen Stau verursachen. Fast eine Stunde dauerte es gestern, bis sich die 250 000 Sternradler an der Spanischen Allee auf die Avus eingefädelt hatten. Zwei Autospuren als Auffahrt reichten einfach nicht für diese Massen.

Für die meisten Teilnehmer an der Sternfahrt war der Streckenabschnitt über die Autobahn – so völlig ohne Autos – der Höhepunkt. Und es blieb trocken, auch das war wichtig. Wie an jedem ersten Juniwochenende gehörte Berlin gestern einmal nicht den Autofahrern. Die Hälfte der 18 Strahlen der diesjährigen Sternfahrt sammelte sich vor der Avus in Zehlendorf, die andere Hälfte an der Grenzallee vor dem Südring.

Zur Belustigung der Teilnehmer hatte die Verkehrsleitzentrale alle Leuchtanzeigen entlang der Strecke auf das „Stau“-Symbol geschaltet. Die Polizei hatte auch die Gegenrichtung gesperrt, so dass keine Abgaswolken von der anderen Spur die Radler einnebelten.

„Respekt für Radler“ heißt die jährlich vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) angemeldete Demonstration. Jeder soll ohne Angst mitradeln können, ob alt oder jung, so wünscht sich das der ADFC. Der vermutlich Jüngste, der gestern auf der Avus auf seinem Kinderrad gesichtet wurde, war drei, unterwegs mit Mama, Papa und dem einjährigen, schlafenden Bruder im Anhänger – alle einheitlich im blau-weißen Radlertrikot. Dazwischen sah man Liegeräder, Rentnerräder, Crossräder, Rennfahrer auf Carbonmaschinen, aus den 70ern herübergerettete Bonanzaräder mit der unbequemen Sitzbank. Und ganz vereinzelt, nicht so gerne gesehen, auch Skater.

Die längste Strecke hatten diesmal 15 Männer auf sich genommen, die morgens um vier Uhr in Greifswald gestartet waren. Als leuchtendes Vorbild war Berlins „Mister Fahrrad“ auf dieser Extremtour dabei – der ADFC-Chef Benno Koch, seit einigen Jahren auch Fahrradbeauftragter des Senats in Personalunion. Als die erste Etappe mit 94 Kilometern bis Neustrelitz geschafft war, sagte Benno Koch einen Satz, den noch niemand von ihm gehört hatte: „Ich fahr jetzt erst mal ein bisschen Auto.“ Denn bei dem für trainierte Rennradfahrer ausgelegten scharfen 30er-Schnitt war Koch mit seinem Tourenrad etwas aus der Puste gekommen. Die erstmalig über diese große Länge geführte Rennradtour soll auch Sportler an den ADFC und die Sternfahrt binden. In Neustrelitz stießen 50 Männer und ein halbes Dutzend Frauen hinzu, das war der Ort, den man mit einem Zug früh morgens aus Berlin erreichen konnte. Im Hotel zu übernachten und morgens um drei Uhr aufzustehen, verlangt schon einige Zähigkeit – zumal der Himmel anfangs ständig aussah, als ob es gleich losregnen werde.

Später am Ziel am Großen Stern war Benno Koch wieder topfit, als er in zahlreiche Fernsehkameras die Erfolgsbilanz verkünden konnte: Hunderttausende Menschen auf die Straße gebracht, die gesehen haben, dass man auch mit einem Fahrrad gut durch Berlin fahren kann. Unfälle gab es, trotz der vielen Radler, viel weniger als an einem normalen Tag, an dem Autos den Ton angeben. Jörn Hasselmann

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