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Forscher stellen fest: Kaum jemand in Berlin hält sich nachts an Tempolimit 30.

© dpa

Raser in Berlin: Kaum jemand hält sich an Tempo 30

Unfallforscher stellen fest, dass sich auf Strecken mit Tempo 30 nachts kaum jemand ans Limit hält. Offenbar vergessen Autofahrer das Tempolimit, wenn nur einmal am Anfang auf die Tempo-30-Zone hingewiesen wird.

Der graue Kasten stand 30 Zentimeter über dem Boden, gut versteckt hinter einem Baum. Kein Kraftfahrer konnte ihn sehen, deshalb war das Ergebnis in dem Tempo-30-Bereich in der Lindauer Allee bemerkenswert. Insgesamt kamen die Fahrzeuge, die im Verlauf von 24 Stunden an der Messanlage vorbeifuhren, auf eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 75 330 Stundenkilometern.

Gemessen hatte aber nicht die Polizei, sondern die Unfallforschung der Versicherer (UDV), im wissenschaftlichen Auftrag. 600 000 Messungen an 44 Straßenabschnitten werteten die Experten aus – über die Ergebnisse hatte der Tagesspiegel bereits berichtet. Am Freitag wurden die Zahlen von Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung, interpretiert. Sein Fazit: „Ich hatte mit einer größeren Überschreitungsrate gerechnet.“

In Gebieten, in denen Tempo 50 erlaubt ist, fuhren nur vier Prozent der Fahrzeuge schneller als erlaubt. Viele allerdings nicht, weil sie besonders sorgsam sind, „sondern weil sie wegen Staus oder hohen Verkehrsaufkommens nicht schneller fahren konnten“. Über 80 Fahrzeuge durchfuhren die Lichtschranke schneller als mit 70 km/h, „das ist im Ernstfall ein Riesenproblem“. Acht Fahrer rasten sogar schneller als 100 km/h.

Die großen Problemzonen sind jene Areale, in denen Fahrzeuge auf 30 km/h heruntergebremst werden müssten. In Tempo-30-Zonen fuhr jeder Vierte schneller als 35 km/h, auf Tempo-30-Strecken jeder Sechste.  Brockmann hat dafür eine einfache Erklärung: „Auf Strecken, bei denen nur am Anfang auf Tempo 30 hingewiesen wird, vergessen die Fahrer irgendwann die Einschränkung.“ Bei Zonen, bei denen immer wieder aufs Limit hingewiesen wird, „braucht man wiederum einen ausgeprägten Charakter, um ständig genau nur 30 zu fahren“, das gibt Brockmann durchaus zu. „Aber 40 km/h ist nicht mehr okay.“

Und in der Nacht könnte man die Tempo-30-Schilder quasi abbauen, dort sind sie fast nutzlos. „Nachts wird dort schneller gefahren als tagsüber“, sagt der Unfallforscher. „Die Polizei kontrolliert so gut wie nie.“ Auch auf Straßen, in denen man sein Fahrzeug fast schieben könnte, weil nur 10 km/h erlaubt sind, hält sich kaum einer ans Limit. Aber wenigstens fahren die meisten nicht schneller als 30 km/h, das ist doch auch schon etwas, jedenfalls aus Brockmanns Sicht.

Das Ranking der Strecken mit den gravierendsten Überschreitungen:

1. Lindauer Allee (Tempo 30)

2. Eichborndamm (50)

3. Auguststraße (10 Zone)

4. Mariendorfer Damm (50)

5. Berliner Allee (30 nachts).

Und noch etwas: Hätten Brockmanns Mitarbeiter abkassieren dürfen, den Bußgeldkatalog als Grundlage, dann hätten sich Landeskasse und Flensburger Punktekartei gut gefüllt. Bilanz: 910 055 Euro Bußgeld, 2082 Punkte, 279 Monate Fahrverbot.

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