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Die 2015 vorgestellte zweite Generation des Audi R8 wurde beim aktuellen Facelifting noch einmal veredelt: Noch schneller, noch sportlicher.

© Audi AG

Supersportwagen Audi R8: Raubtier auf Rädern

Immer schneller: Audi hat seinem Spitzenmodell beim Facelifting noch eine Extraportion PS und viele neue Finessen gegönnt

So ähnlich muss sich auch ein Superheld fühlen: Vor sich das Asphaltband der Straße, im Rücken der megastarke Mittelmotor, dessen dunkel drohendes Grollen beim leisesten Antippen des Gaspedals blitzschnell zum Donnern, Dröhnen, Röhren anschwillt – das heiße Herz eines Raubtiers auf Rädern, als Dienstwagen für einen wie „Iron Man“ überaus angemessen, schon mehrfach durfte dessen Darsteller Robert Downey Jr. darin herumsausen.
Zwar sitzen einem hier, in der Boxengasse des Circuito Ascari, der privaten Rennstrecke nordwestlich von Málaga, keine fiesen Superschurken im Nacken wie dem Eisernen, aber das Auto ist doch das gleiche: ein Audi R8, das schnellste Produkt der Ingolstädter Autobauer, zusammengeschraubt in einem eigens für die Tochter Audi Sport hochgezogenen Werk in Heilbronn.

Bei der Weltpremiere von "Spider-Man: Homecoming" vor dem Chinese Theatre in Hollywood am 28. Juni 2017 kam Robert Downey Jr. im schwarzen R8 Spyder an. Der R8 ist der Wagen seiner Figur Iron Man.

© Getty Images for Audi

Aber eigentlich ist es ja gar nicht Iron Mans originaler Renner, hat doch Audi seinem Spitzenmodell seit dem letzten Filmeinsatz in „Spider-Man: Homecoming“ – auch zur Premiere in Los Angeles fuhr Downey Jr. im R8 vor – noch einmal eine Extraportion PS draufgepackt, auch sonst an Technik und Design gefeilt, um den Supersportwagen noch sportlicher, noch schneller, noch aggressiver, aber auch sicherer zu machen. Facelifting nennen das die Autobauer, als ginge es nur darum, da und dort ein paar Runzeln wegzuspritzen, ein paar Falten zu kaschieren, nachzufärben. Welche Untertreibung! Und das bei einem Wagen, dem man falsches Understatement nun wirklich nicht vorwerfen kann.

Mit 620 PS auf die Rennstrecke

Aber noch immer warten wir auf das Senken der Startfahne, die Freigabe der Strecke. Alle Fahrer, die an diesem Tag die neue Höllenmaschine solo ausprobieren dürfen, werden nur in gebührendem Abstand auf die Piste geschickt, wie der vorgeschriebene Helm eine beruhigende Vorsichtsmaßnahme. Auch ohne hinterherjagende Schurken stellen 620 zu bändigende Pferde für Fahrer, denen solche Dimensionen fremd sind, eine erhebliche Herausforderung dar. Wie heißt es doch auf den zu hygienischen Zwecken mitverteilten Sturmhauben? Die Fähigkeit des Produkts, den Nutzer vor Verletzungen oder Tod zu schützen, werde nicht garantiert. Aber Bange machen gilt nicht, die ersten vier Proberunden, vorneweg das Pacecar, waren doch gar nicht so übel, erst zwei mit, dann zwei ohne einen Instrukteur als Beifahrer, der Kurve für Kurve über Bremspunkt, Einlenkpunkt etc. belehrt hatte, den richtigen Moment, wieder voll aufs Gaspedal zu treten. Das ist hier schließlich keine Landstraße, sondern eine Rennstrecke, wenn auch durch Hütchen am Rande, die all diese Punkte markieren, freundlicherweise entschärft.

Auf dem Circuito Ascari in Spanien wurden die Rennversion des Audi R8, das Coupé und der Spyder vorgestellt.

© Andreas Conrad

Da endlich: Die Startfahne senkt sich, weiter vorne flackert grünes Licht – und Vollgas. Oder lieber nicht? Der Wagen springt los, der Körper wird in den Sitz gepresst, als säße man in einem Jet, aber leider ist es nur ein kurzes Stück bis zur ersten, verdammt engen Kurve, also abbremsen, einlenken, irgendwie durchmogeln – zum Glück schaut keiner zu, elegant war das nicht. Und es wird auch nicht viel besser. Wäre der Wagen ein Wesen mit Hirn, würde er sich jetzt völlig unterfordert fühlen, sich auch wundern, warum vor den beiden hintereinander gestaffelten 90-Grad-Kurven viel zu früh abgebremst und danach viel zu spät beschleunigt wurde, und was sollte diese wilde Kurbelei nachher in der Schikane?

Einladung zur "Renntaxi"-Fahrt auf dem Circuito Ascari im Audi R8 LMS GT3

© Andreas Conrad

Immerhin kein Abflug ins Kiesbett, was bei solchen Probefahrten auch schon vorgekommen sein soll, keine Warnleuchte hat aufgeblinkt, der R8 geriet ja nicht mal in der Nähe seiner Grenzen. Trotzdem, ein toller Fahrspaß, selbst wenn man sich dem Wagen nicht ganz gewachsen fühlt. Aber diese irre Beschleunigung – von 0 auf 100 in 3,1 Sekunden –, die Präzision und Sicherheit, mit der er sich durch die engen Kurven fädelt, ja, auch das satte Röhren, dieses „emotionale Geräuschbild“, von dem die Entwickler schwärmen – man wird sich wohl ein wenig daran berauschen dürfen, in aller Bescheidenheit und mit aller Vorsicht. Denn selbst hier auf der Rennstrecke, und erst recht im normalen Autofahrerleben, sollte man sich tunlichst nicht überschätzen, gerade bei solch einem Boliden, der schon verdammt nah dran ist an einem richtigen Rennwagen, dessen DNA aus dem Motorsport stamme, wie ebenfalls offiziell geschwärmt wird, zu Recht: Zu etwa 50 Prozent besteht das Serienmodell aus den gleichen Teilen, die im R8 LMS GT3, der Rennversion, zum Einbau kommen.

"Ab 80 fahren Sie Wasserski!"

Auch der steht auf dem Circuito Ascari zur Vorführung bereit. „Renntaxi“ heißt dieses noch mal gesteigerte Fahrvergnügen. Feuerfeste Kombis sind jetzt Pflicht, Profifahrer sowieso, Experten für Drehzahlen, Reifengrip und was man so wissen muss, um unter Rennbedingungen, und seien sie auch nur simuliert, nicht aus der Kurve zu fliegen. Und bitte selbst dann nicht, wenn es, wie nun vor den Taxiläufen am Abend, zu regnen begonnen hat. Dem Alltagsfahrer klingt da vielleicht noch die alte Warnung im Ohr: „Ab 80 fahren Sie Wasserski!“ Die eingesetzten PS-Piloten geben da noch mal richtig Stoff. Bis auf 200 km/h schnellt die Tachonadel hoch, nur kurz zwar, dann geht es wieder brutal in die Eisen, und rechts rum, links rum, wroaammm – ab durch die Schikane. Die Fahrt mit dem Smartphone in der Hand filmen? Unmöglich, schon in der ersten Kurve wird das Bild verrissen. Wären nicht der Helm und die Kreuz- und Querverschnürung durch das Gurtsystem, so gäbe es jetzt wohl Beulen und blaue Flecken. Fast wie Achterbahn, nur schneller, heftiger, rabiater – und ohne Looping. Aber zwei Runden reichen bei einigen der journalistischen Beifahrer trotzdem aus, um im Magen ein flaues Gefühl zu erzeugen.

Mit seinen 620 PS soll der Audi R8 V10 performance quattro sogar 331 km/h erreichen.

© Audi AG

Schon kurios, dass ein Auto, das es seinem Wesen nach derart eilig hat, an einem Ort der Langsamkeit geboren wird. Denn so wohldurchdacht und effizient die Produktion des R8, des Serien- wie des Rennwagens, im 2015 eröffneten Audi-Werk Böllinger Höfe in Heilbronn mit seinen 500 Mitarbeitern auch sein mag – Fließbandhektik wie in Charlie Chaplins „Moderne Zeiten“ sucht man dort vergeblich. Ja, es gibt nicht mal Fließbänder, vielmehr ein fahrerloses Transportsystem, dessen Einheiten gemächlich durch die Hallen zuckeln und brav anhalten, wenn man ihnen in den Weg tritt. Mögen lustbetonte Autos wie der R8 und autonomes Fahren zwar ein Widerspruch in sich sein – bei der Herstellung dieses sehr speziellen Audis ist die automobile Zukunft bereits Wirklichkeit. Nicht ganz zu Unrecht sieht man die Produktionsstätte dort weniger als Fabrik, nennt sie lieber Manufaktur. Ein paar Roboter gibt es schon, zum Schrauben an verwinkelten Ecken, wo es auf höchste Präzision ankommt und sich ein Mensch nur verrenken würde. Aber Schweißroboter? Sie würden sich angesichts der geringen Stückzahlen – zehn Fahrzeuge pro Tag – nicht lohnen, und die Handarbeit passe ohnehin gut zum Image, wird gerne hervorgehoben.

Die elliptische geformten Endrohre der Abgasanlage werden vom markanten Diffusor umrahmt.

© Audi AG

Käufer findet der seit 2006 gebaute R8, den man bei Audi wegen seiner Rennsport-Nähe als imagepflegenden „Markenbotschafter“ rühmt, vor allem in den USA, Großbritannien und Deutschland. Anfang nächsten Jahres kommt nun die dem Facelifting unterzogene Version der zweiten, seit 2015 angebotenen Generation in den Handel. Den finanziell potenten Kunden erwartet ein Design, das den Charakter des R8 als Hochleistungssportwagen mit ebenso behutsamen wie wirkungsvollen Retouchen optisch noch stärker betont und zuspitzt. So ist der Kühlergrill, nun ohne Chromrahmen, flacher und breiter geworden, wirkt die ganze Front aggressiver. Der Frontsplitter bildet mit den Schwellerleisten eine durchgezogene Linie, ein weiteres, die Horizontale betonendes Detail, durch das der Wagen „wie ein Brett“ auf der Straße zu liegen scheint. Der dominante Diffusor umrahmt und betont die nun ovalen und wirklich imposanten Abgasendrohre, wie sie offiziell heißen. Auspuff klänge angesichts ihrer Größe ja ziemlich unpassend.

Der Startknopf ist rot - na klar

Im Wageninnern haben sich die Designer erfolgreich um die Anmutung eines Rennwagen-Cockpits bemüht, mit dem Drehzahlmesser als zentralem, mittig positioniertem Instrument. Die Regler der Klimaanlage sollen sich optisch sogar an Flugzeugturbinen orientieren. Gestartet wird, na klar, mit einem roten Knopf, rechts neben dem Lenkrad. Mit dem linken Gegenstück wählt man den jeweils gewünschten Fahrmodus. Das auf dem Circuito Ascari eingesetzte Topmodel Audi R8 V10 performance quattro bietet sogar drei zusätzliche: dry, wet und snow. Die Motorleistung wurde beim Facelifting noch einmal gesteigert, bei der Performance-Version von 610 auf 620 PS, was dem Coupé ein maximales Tempo von 331 km/h erlaubt, sollten die irgendwo und irgendwann mal möglich sein. Beim Spyder, dem Cabrio, reicht es nur für 329 km/h.

Das Interieur des R8 erinnert an das Cockpit eines Rennwagens.

© Audi AG

Den Schwerpunkt ihrer Bemühungen haben die Ingenieure aber nicht auf das Herz des Wagens, sondern, wie es heißt, auf sein Hirn gelegt. Das Fahrwerk soll jetzt noch präziser ansprechen, und wem die elektromechanische Servolenkung noch immer nicht genügt, dem steht auf Wunsch die sogenannte Dynamiklenkung mit integriertem Überlagerungsgetriebe zur Verfügung. Was das bedeutet, muss der Technikbanause nicht verstehen, aber, sofern er von seinem schicken Renner anfangs nicht allzu überwältigt ist, dürfte er wohl spüren, dass die Lenkung sich abhängig vom Tempo verändert, beim Rangieren sehr direkt arbeitet, auf der Autobahn dagegen sehr viel ruhiger wirkt.

Hilfreicher Magnetismus

Auch an der elektronischen Stabilisierungskontrolle wurde gebastelt, mit dem erfreulichen, Unfällen vorbeugenden Effekt, dass der R8 V10 performance aus 100 km/h rund 1,5 Meter früher zum Stehen kommt, aus 200 km/h sogar bis zu fünf Meter früher. Und dann gibt es auch noch optional das geregelte Dämpfungssystem mit dem verheißungsvollen Namen „Audi.magnetic.ride“, das die Stoßdämpfer dem Straßenprofil wie dem Fahrstil anpasst, millisekundenschnell und separat für jedes Rad. Besonderer Clou: Das synthetische Öl in den Kolben enthält winzige Magnetpartikel. Bei Bedarf wird automatisch ein Magnetfeld erzeugt, in dem sich die Partikel quer zur Strömungsrichtung legen und so den Durchfluss des Öls durch die Kolbenkanäle hemmen.

Den Spyder offen und mit Vollgas fahren - da ist die Frisur rasch ruiniert.

© Audi AG

Angesichts solcher Häufung technischer Finessen – es gibt noch eine ganze Menge mehr – fragt man sich natürlich, was an dem Wagen denn jetzt noch verbessert werden könnte, ob dies überhaupt möglich ist. Doch vielleicht gibt es beim Verdeck des Spyder Entwicklungspotenzial. Dank des elektrohydraulischen Antriebs öffnet und schließt es sich bis zu einem Tempo von 50 km/h in nur 20 Sekunden. Allerdings: Beim Mini-Cabrio von BMW geht das zwei Sekunden schneller.

Technische Daten

Audi R8 Coupé/Spyder V10 quattro: 570 PS, Drehmoment 560 Nm, von 0 auf 100 km/h in 3,4/3,5 Sekunden, 324/322 km/h Höchstgeschwindigkeit, ab 166 000/179 000 Euro

Audi R8 Coupé/Spyder V10 performance quattro: 620 PS, Drehmoment 580 Nm, von 0 auf 100 km/h in 3,1/3,2 Sekunden, 331/329 km/h Höchstgeschwindigkeit, ab 194 500/207 000 Euro

Die genannten Preise beziehen sich auf die entsprechenden Modelle vor dem Facelifting. Die neuen Preise stehen noch nicht fest, sollen sich aber auf dem Niveau der Vorgängers bewegen.

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