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Die Berliner Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid auf der Pressekonferenz.

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Update

Rechtswidrige Aktenvernichtung: Neue Schredder-Aktion: Opposition glaubt nicht an Zufall

Es soll ein Versehen gewesen sein: Die Berliner Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid hat eingestanden, dass in ihrer Behörde rechtswidrig Unterlagen zerstört worden sind.

Beim Berliner Verfassungsschutz hat es einen weiteren Fall von Aktenvernichtung gegeben. Mitarbeiter der Behörde haben Unterlagen über das rechtsextreme Musiknetzwerk „Blood and Honour“ geschreddert. Die Papiere waren nicht, wie es Vorschrift ist, dem Landesarchiv zur Aufbewahrung angeboten worden.

Die Leiterin des Verfassungsschutzes, Claudia Schmid, sagte am Dienstag, die Aktenvernichtung sei 2010 angeordnet worden. Sie selbst wisse von der Schredderaktion seit August, gestand Schmid ein. Erst am Freitag hatte der Verfassungsschutzausschuss des Abgeordnetenhauses über die Vernichtung von Akten mit rechtsextremistischen Bezügen beraten, die im Landesarchiv hätten aufbewahrt werden müssen. Warum Schmid nicht am Freitag auch die Vernichtung des „Blood and Honour“-Vorgangs bekannt gemacht hatte, blieb am Dienstag unklar. Sie habe die „Brisanz“ der Schredderaktion erst am Wochenende erkannt, sagte sie. Ursache dafür, dass der Vorgang über das Musiknetzwerk nicht dem Landesarchiv angeboten worden war, sei vermutlich ein „Versehen“.

Innensenator Frank Henkel (CDU) steht wegen diverser Pannen beim Verfassungsschutz in der Kritik. Er hat vor Wochen einen Sonderermittler damit beauftragt, Versäumnisse des Verfassungsschutzes im Umgang mit Akten mit rechtsextremistischem Inhalt aufzuklären.

Das Musiknetzwerk „Blood and Honour“ war im Jahr 2000 verboten worden. Die drei NSU-Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sollen 1998 zum Zentrum von „Blood and Honour“ in Jena gehört haben.

Mitglieder des Abgeordnetenhauses zeigen sich erschüttert. „Jede Woche ein neuer Skandal – der Berliner Verfassungsschutz hat ein ernsthaftes strukturelles Problem“, sagte Hakan Tas (Linke). Seine Partei sehe sich in der Forderung bestätigt, den Verfassungsschutz als Institution abzuschaffen, da er offensichtlich „nur noch mit sich selbst beschäftigt ist“. Für die Opposition zeige die Tatsache, dass der Fall von 2010 erst jetzt bekannt wird, dass Innensenator Henkel „nicht mehr Herr im Hause“ sei, wie Tas sagte. „Es ist kaum mehr möglich, bei den haarsträubenden Vorgängen noch an Zufälle zu glauben“, sagte Piraten-Innenpolitiker Christopher Lauer. „Der Innensenator muss jetzt endlich so etwas wie Handlungsfähigkeit beweisen und ein schlüssiges Konzept dazu vorlegen, wie er in seinen Behörden Ordnung schaffen will.“ Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen, beklagt, dass Zusammenhänge zwischen dem NSU und der rechtsextremen Szene nun schwerer zu ermitteln seien.

Kritisch äußerten sich auch Vertreter der Koalition. Stephan Lenz (CDU) sieht ein „Riesenproblem“ und erwartet in der heutigen Sitzung des Berliner Verfassungsschutzausschusses Vorschläge für organisatorische oder personelle Konsequenzen. „Da müssen dringend die Verfahren geklärt werden, wie der Verfassungsschutz mit solchen Akten umgeht“, sagte Thomas Kleineidam (SPD). Er findet den jetzt bekannt gewordenen Fall aber „nicht so gravierend“ wie die in der Vorwoche publik gemachte Aktenvernichtung. Zwar sei auch die Vernichtung 2010 nicht zulässig gewesen, aber anders als beim Fall aus diesem Sommer seien damals die Taten der NSU noch nicht bekannt gewesen.

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