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Ein Mädchen mit Kopftuch in einer Schule

© dpa/Wolfram Kastl

Berliner CDU-Fraktionschef Graf: „Religiöse Symbole haben nichts in der Schule zu suchen“

Berlins CDU-Fraktionschef Florian Graf will Kopftücher aus Berlins Schulen verbannen – für Lehrerinnen und Schülerinnen. Dem Antisemitismus will er mit einer Meldepflicht begegnen.

Von
  • Sabine Beikler
  • Ronja Ringelstein

Herr Graf, die CDU-Fraktion fährt am Wochenende nach Lübeck zur Klausurtagung. Warum dürfen Journalisten seit fast 15 Jahren nicht mitfahren?

Es ist inzwischen gute Tradition, dass wir die Debatten unter uns führen. Natürlich informieren wir Sie als Pressevertreter gern über unsere Ergebnisse.

Haben Sie Bedenken, dass Ihre Fraktionskollegen sich schlecht benehmen?

Nein. Damit haben wir keine schlechten Erfahrungen gemacht, jenseits der Tagespolitik unter uns zu sprechen.

Warum beschäftigt sich die CDU auf der Klausurtagung mit dem Stadtrand?

Im Jahr 2020 werden wir 100 Jahre Groß-Berlin feiern. Während wir die Stadt als Einheit verstehen, spaltet Rot-Rot-Grün Berlin zum Beispiel in der Verkehrspolitik, weil sie die Innenstadt in den Fokus ihrer Entscheidungen rückt. Die Koalition vernachlässigt die Stadtränder. In einigen Stadtrandregionen ist man regelrecht abgehängt.

Welche sind das?

Die Regionen außerhalb des S-Bahn-Rings. Berlin wächst, deshalb müssen die Angebote gerade am Stadtrand stimmen. Wir brauchen dort viel mehr Park-and-Ride-Plätze. Rot-Rot-Grün legt den Fokus fast ausschließlich auf Verbesserung des Radverkehrs. Wir aber wollen ein gutes Angebot für jeden Verkehrsteilnehmer. Auch die CDU will mehr Autos von der Straße holen, um CO2-Einsparungen zu erreichen. Dafür müssen die Pendlerströme reduziert werden. Deshalb setzen wir auf einen starken ÖPNV. Strecken in den Stadtrand müssen ausgebaut, die Tarifzone B ausgeweitet werden.

Am Stadtrand sollen Wohnungen gebaut werden. Ist das falsch?

An diesem Wochenende rufen zahlreiche Initiativen auf, gegen die Mietenpolitik des Senats zu demonstrieren. Wir müssen feststellen, dass der Regierende Bürgermeister mit dem Senat bei der Schaffung von Wohnraum nicht einen Millimeter vorankommt. Um die Wohnungsnot zu lindern, hilft nur zügiges bauen. Stattdessen gehen die Neubaugenehmigungen zurück. Große Areale wie in Blankenburg oder die Elisabeth-Aue werden nicht zügig bebaut. Und die Investoren bauen außerhalb von Berlin, weil sie dort bessere Rahmenbedingungen vorfinden. Im Innenstadtbereich müssen Dachgeschosse ausgebaut werden. Auch die Traufhöhe muss ausgesetzt werden. Warum bauen wir nicht höher?

Ein virulentes Thema ist Antisemitismus, den man von rechts, links und vermehrt von muslimischen Migranten hört. Können Meldeauflagen und ein Regierungsbeauftragter das Problem lösen?

Mich macht der zunehmende Antisemitismus in der Stadt sehr betroffen. Wenn Eltern ihre jüdischen Wurzeln verschweigen aus Angst, dass ihre Kinder in der Schule gemobbt werden, ist das nicht hinzunehmen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Rot-Rot-Grün unsere Initiative nicht unterstützt, einen Antisemitismusbeauftragten für Berlin einzusetzen.

Wie sollen Schulen hier reagieren?

Auf Berliner Schulhöfen ist ein entschlossenes Zeichen gegen Antisemitismus und gegen jede andere Form von religiös motivierten Hass und Gewalt notwendig. Ich fordere eine Meldepflicht bei diesen Vorfällen. Die Schulen dürfen sich nicht in Schweigen hüllen, um ihren eigenen Ruf nicht zu beschädigen. Gegen die zunehmende religiöse Radikalisierung muss der Staat vorgehen. Religiöse Symbole haben nichts in der Schule zu suchen. Ich wünsche mir eine Schule, in der weder Lehrerinnen noch Schülerinnen ein Kopftuch tragen. Das gilt für andere religiöse deutlich sichtbare Symbole natürlich genauso. Ich bin für ein Wahlpflichtfach Religion. Die Schule muss ein neutraler Raum bleiben. Der Staat muss eine friedensstiftende Religionsausübung ermöglichen. Deshalb möchten wir den interreligiösen Dialog im Lehrplan stärken.

Wenn es keine religiösen Symbole an einer Schule geben darf, dann muss das für alle Religionen und auch für alle Symbole gelten.

schreibt NutzerIn A.v.Lepsius

Gehört der Islam zu Deutschland?

Man kann die Antwort nicht auf einen Satz reduzieren. Man muss anerkennen, dass das Nein des Bundesinnenministers Seehofer, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, von großen Teilen der Bevölkerung mitgetragen wird. Aber der politische Schwerpunkt liegt in der Integration.

In Berlin fehlen rund 2500 Kitaplätze. Sie und SPD-Fraktionschef Raed Saleh hatten den Betreuungsschlüssel in Kitas vor gut zwei Jahren gerade gesenkt. Nun muss der wohl wieder hochgesetzt werden, oder?

Die große Koalition hatte der Schaffung von Kitaplätzen deutlich Vorfahrt eingeräumt. Das muss auch so bleiben. Ich erwarte von Frau Scheers bis zum Start des nächsten Kita-Jahres ein Konzept, wie die Kitaplatz-Garantie in Berlin umgesetzt wird.

Ist die Gebührenfreiheit noch zeitgemäß?

Wir haben die Gebührenfreiheit eingeführt, das kann man nicht zurücknehmen. Sie war ein wichtiger Schritt zur Entlastung der Familien. Mein Credo war, dass Berlin Vorreiter sein muss bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Sie sind Oppositionsführer. Es vergeht fast kein Tag, an dem Sie keine Pressemitteilung mit markigen Ausdrücken verschicken. Kürzlich warfen Sie dem Senat bei der Nicht-Umsetzung des Tegel-Volksentscheides sogar einen „Anschlag auf die direkte Demokratie“ vor. Ist das Ihre Antwort auf die in der CDU vernehmbare Kritik, Sie als Fraktionschef seien zu leise und zu brav?

Nein, ganz im Gegenteil. Dass der Senat das Bürgervotum ignoriert, ist ein Vorgang, den ich nur als einen Anschlag auf die direkte Demokratie bewerten kann. Da war ich immer klar und bleibe es auch. Ich will den Senat treiben. Wir wollen Rot-Rot-Grün ablösen, weil die Koalition Alltagsprobleme nicht in den Griff bekommt. Die Stadt ist geprägt von einer Wohnungsnot, von einer Bildungsmisere, und es herrscht zunehmendes Verkehrschaos. Da greifen wir als Opposition an und manchmal durchaus auch zugespitzt.

Florian Graf.
Florian Graf.

© Kai-Uwe Heinrich

Am Dienstag wurde Barbara Slowik von Innensenator Geisel zur neuen Berliner Polizeipräsidentin ernannt. Ihr Kommentar war, dass das wohl ihren guten Kontakten zum Innenstaatssekretär zu verdanken sei. Was lässt Sie an der Eignung von Frau Slowik zweifeln?

Frau Slowik mag eine profunde IT-Expertin und Beamtin sein. Ich hätte erwartet, dass man bei dem Amt jemanden präsentiert, der Erfahrung mit der Führung von Behörden und mit der Polizei hat.

In Ihrer eigenen Partei ist der Frauenanteil nicht sehr hoch: ein Drittel Frauen, zwei Drittel Männer. Wie wollen Sie die Berliner Union als moderne Großstadtpartei da nach vorne bringen?

Das muss bei der Nominierung von Kandidaten in den Wahlkreisen und auf den Bezirkslisten mitgedacht werden. Frauen müssen künftig stärker berücksichtigt werden. Ich habe damit gute Erfahrungen gemacht, weil es in meinem Kreisverband Tempelhof-Schöneberg immer eine gute Auswahl an Männern und Frauen gab.

Ihr Parteifreund Mario Czaja hat die Frauenquote 50-50 für Ihre Partei ins Spiel gebracht. Dafür muss die Satzung geändert werden. Sind Sie dafür?

Der Landesverband hat gerade unter Führung des Generalsekretärs eine Satzungskommission eingesetzt. Es versteht sich von selbst, dass ich dieser Arbeit als Fraktionsvorsitzender nicht vorgreifen werde.

Also würden sie dagegen stimmen?

Lassen sie uns abwarten, was die Satzungskommission vorschlägt.

In aktuellen Umfragen liegen in der Hauptstadt SPD und Christdemokraten etwa gleichauf um die 20 Prozent, gefolgt von den Linken mit etwa 18, den Grünen um die 17 Prozent. Die FDP liegt bei 7, die AfD bei 12 Prozent. Wie bewerten Sie diese Entwicklung in Berlin?

Diese zersplitterte Parteienlandschaft haben wir in vielen Landtagen und im Bund. Sie führt dazu, dass die Regierungsbildung immer schwieriger wird. Deshalb müssen wir die CDU so stark wie möglich machen. Wir stehen heute noch nicht da, wo wir hinwollen. Ich finde sehr gut, dass die Bundes-CDU mit einer neuen Generalsekretärin die Grundsätze der Partei neu diskutieren wird und ein Grundsatzprogramm auflegt. Die Union ist dann besonders stark, wenn sie sich breit aufstellt und liberale, soziale als auch konservative Strömungen unter einem Dach vereint sind.

Das Gespräch führten Sabine Beikler und Ronja Ringelstein.

Florian Graf, 44, wuchs in Tempelhof auf. Seit 2006 ist der Verwaltungswirt Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und dort seit 2011 Vorsitzender der CDU-Fraktion.

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