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Berlin: Rüssel in die Kamera

Souverän! Der kleine Elefant Kiri zeigt an seinem ersten Tag in der Öffentlichkeit keine Angst vor den FotografenBernd Matthies Na, es geht doch.

Souverän! Der kleine Elefant Kiri zeigt an seinem ersten Tag in der Öffentlichkeit keine Angst vor den FotografenBernd Matthies

Na, es geht doch. Kiri, der zehn Tage alte Miniatur-Elefant, schwankt hinter dem Bretterverschlag hervor, stößt sanft an eine der beiden Holzpaletten auf dem Boden, hebt das Bein, noch eins, steht oben, rutscht mit einem Fuß wieder ab, stolpert, erklimmt bedächtig die zweite Palette. Die Hinterbeine folgen unwillig, haben aber keine Chance gegen die beiden vorderen Kollegen. Fertig. Gleich daneben hockt Reviertierpfleger Rüdiger Pankow - er bekommt jetzt erst einmal den vom Stress erhitzten Rüssel in den Hemdkragen gesteckt. Triumph für Liebling Tiergarten.

Erster Tag im öffentlichen Leben des neuen Stars im Zoo: Zehn Minuten vor elf werden die zahllosen Kamerateams und Fotografen hineingelassen. Die Journalisten klettern durch den Graben, entern einen Verschlag an der Seite, bauen sich unmittelbar vor dem Gitter auf. Der Drei-Zentner-Zwerg reagiert, als sei er im Fernsehstudio geboren, hält sich aber vorsichtshalber immer nur eine Rüssellänge von seinem Pfleger entfernt. Wenn er läuft, sieht das noch so tapsig aus, als steckten zwei Kinder in einer perfekt nachgeahmten Elefantenhaut aus grauem Faltenstoff mit schwarzen Borsten auf dem Rückgrat und an den Beinen. Der Rüssel hebt sich, betastet Pankows Hose, findet dessen Hand, hebt sich höher - und schon lutscht Kiri hingebungsvoll am Daumen des Pflegers.

Der hebt eine Handvoll Sand vom Boden auf, patscht sie seinem Schützling auf den Kopf, erste Benimm-Lektion für den Elefanten-Azubi. Die Kameras klicken, Kiri blickt ein wenig skeptisch, stolpert erst einmal außer Sicht, lässt sich wieder anlocken, dreht mit dem Rüssel einen gelben Hopsball herum und hängt sich wieder an den Rockzipfel seines Pflegers. Er hält, so scheint es, die Menschen um ihn herum längst für die besseren Elefanten.

Dann gibt es Milch. Die fette Dickhäuter-Spezialmischung, spendiert von einer Firma aus Elmshorn, schmeckt offensichtlich prima. Kiri saugt einen halben Liter aus der weißen Plastikflasche mit dem roten Schnuller, setzt ab, äugt in die Fotografen-Runde; der Pfleger geht ein paar Schritte, der Elefant stolpert hinterher, trinkt wieder einen Schluck, immer so weiter. Dazwischen ein durchdringendes Brüllen: Hunger! Noch nicht so dröhnend basslastig wie bei den Alten drüben im Freigehege, aber schon mächtig laut. Der Rüssel, gerade so groß wie ein Stück dicker Gartenschlauch, tastet durch die Gitterstäbe, kitzelt einen Fotografen, fährt wieder zurück. Brüllen! Irgendetwas passt ihm nicht. Die Radioreporter nesteln voller Entzücken an ihren Bandgeräten.

Im Hintergrund geben die Leute vom Zoo und der Futterfirma Interviews. Alles bestens, meint Zoo-Tierarzt Andreas Ochs, wenn auch gewiss noch nicht alles überstanden sei. Gewicht immer noch 145 Kilo, ganz normal, weil Elefanten - wie Menschen - nach der Geburt erst ein wenig verlieren, bevor das Wachsen beginnt. Ein Pfund pro Tag, später ein Kilo, ist üblich, dann steigt auch der Milchverbrauch von jetzt 12 auf 20 bis 25 Liter. Das Normalgewicht von drei bis dreieinhalb Tonnen wird Kiri allerdings erst zur Volljährigkeit in 18 Jahren erreichen.

Das ist für die Besucher angenehm, denn wenn es nach ihnen geht, kann er noch eine Weile so bleiben, wie er ist. "Goldig!" sagen sie "wie niedlich!" und "ist ja zum Kuscheln!", als gegen halb zwölf die Aufpasser vom Zoo dem Druck der Schlange nachgeben und eine erste Hundertschaft vors Gitter lassen. Rentner, Jugendliche, auch eine Gruppe vom Kindergarten. Die Journalisten reißen sich los, geben die erste Reihe frei, und nichts ist mehr zu sehen. Der Zoo müsste ein hübsches neues Haus bauen mit Panoramafenster, meint einer, "das gibt doch hier nichts als ein Riesengewühle".

Noch wirkt alles etwas provisorisch. Ein eilig gebasteltes Schild informiert über Kiri und entlastet die Elefantenmutter Pang Pha: Sie sei selbst als Findelkind aufgewachsen, in der Zoo-Herde immer die Jüngste gewesen, und habe deshalb ordentliches Mutterverhalten nicht lernen können, heißt es. In der Mutterrolle stecken deshalb jetzt die Pfleger, die Kiri rund um die Uhr betutteln und ihm vor allen Dingen alle drei bis vier Stunden die Flasche ins Maul stecken. Damit er allmählich ein paar Zentner zulegt.Besuchszeit bei Kiri ist jetzt täglich von 10 Uhr 30 bis 12 Uhr 30 und von 14 Uhr 30 bis 17 Uhr 30. Die Pfleger entscheiden darüber allerdings aktuell, je nachdem, wie ihrem Schützling der Rummel bekommt.

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