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Berlin: Rumms! Die Feinheiten der Presseberichterstattung (Glosse)

Wenn General Winter die deutsche Hauptstadt in seinen eisernen Griff nimmt, wird das Leben hart. Dann nähern sich die Wölfe der Stadtgrenze, und der Bundespräsident muss um sein Leben fürchten, weil die Luftwaffe für nichts mehr garantieren kann.

Wenn General Winter die deutsche Hauptstadt in seinen eisernen Griff nimmt, wird das Leben hart. Dann nähern sich die Wölfe der Stadtgrenze, und der Bundespräsident muss um sein Leben fürchten, weil die Luftwaffe für nichts mehr garantieren kann. Jedenfalls entnehmen wir diese Fakten der BZ, die uns gestern mit einem knalligen Aufmacherfoto überraschte: ein Luftwaffen-Airbus beim Landen, dramatisch umnebelt, eine Mischung aus Polar-Expedition und Mogadischu. "Rau Schnee-Notlandung in Tegel". Die finale Flugaffäre?

"Rumms." heißt es drinnen, "Die Notlandung des Bundespräsidenten in Tegel". Dazu gleich drei Bilder vom Airbus, der auf dem dritten bedenklich schräg hängt, als stecke der Schwanz in der verschneiten Tegeler Erde. Das sieht zwar nahezu unmöglich aus, aber ist das Leben nicht so im Winter? Auf dem vierten Foto sehen wir Johannes Rau, wie er "aus einem Luftwaffen-Airbus" steigt, offenbar glücklich über die unverhoffte Rettung. Daneben: "Der Regierungs-Jet. Ein Montags-Flugzeug?"

Ach, und nun die kargen Fakten. Rau ist nicht mit einem Airbus, sondern mit einer kleineren Challenger in Tegel aufgestiegen. Das Fahrwerk ließ sich nicht einklappen, der Pilot kehrte um und landete wieder. Rau stieg in eine noch kleinere Propellermaschine und flog nach Erfurt, wo er beim Aussteigen von AP fotografiert wurde - das Bild gleicht dem BZ-Foto mit dem angeblichen Airbus-Ausstieg wie eine Ente der anderen. Die drei anderen Exklusiv-Bilder sind offenbar am selben Tag entstanden, bei einer zufälligen und problemlosen Landung des echten, aber präsidentenlosen Airbusses. Die BZ: eine Montags-Zeitung?

Nichts gegen Boulevardblätter. Die "Bild" schilderte den Sachverhalt sachlich, zutreffend und ohne jegliche aus der journalistischen Freiheit geborene Sättigungsbeilagen wie Schneegestöber oder rasende Feuerwehren. So ist die blöde Realität: Immer macht sie uns die schönsten Katastrophen kaputt.

Doch es gibt Chefredakteure, die Widerstand leisten. Sie zeigen ihren Lesern die Welt so dramatisch, wie sie zwar nicht ist, aber doch schleunigst werden sollte. Und nur manchmal geht das ganz furchtbar schief: Rumms.

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