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Berlin: S-Bahn kam mit Säubern nicht hinterher

An den Ostertagen wurden ganze Züge mit Graffiti beschmiert. Ermittler werten Internet-Seiten aus

Am Wochenende wurden bei der Berliner S-Bahn 40 Prozent mehr Graffitischäden registriert als sonst. Das Unternehmen vermutet einen Zusammenhang mit dem bundesweiten Treffen von Graffiti-„Künstlern“ zu Ostern in Berlin. „Die Szene hat es geschafft, Mitstreiter zu mobilisieren“, sagte Bahnsprecher Ingo Priegnitz. Insgesamt wurden bei der S-Bahn am Wochenende 975 Quadratmeter beschmiert. Das entspricht 400 Meter Zuglänge.

Eine Verantwortung für Straftaten lehnt der Organisator des Graffiti-Festivals „Rhythm of the Line“, Thomas Peiser, ab. „Es ist doch jedem selbst überlassen, was er macht.“ Wie berichtet, waren bei dem Festival Filme von Graffitisprayern über Graffitisprayer gezeigt worden. Etwa 100 bis 200 Teilnehmer waren aus dem Bundesgebiet und dem Ausland angereist. „Aber, ob die sich hier verewigt haben, weiß ich nicht“, sagte Peiser. Die Polizei hat das Festival in Zivil beobachtet. Nach Angaben Peisers sollen Polizisten am Rande des Festivals Teilnehmer angesprochen haben. Peiser betreibt auch eine Internetseite, auf der weit über 1000 Fotos von – offensichtlich illegalen – Sprühaktionen zu sehen sind. Hundertfach sind dort beschmierte Züge der BVG und der Bahn fotografiert. „Wir werten diese Seiten aus“, sagte der Chef der Sonderkommission Graffiti, Marko Moritz, gestern. Rechtlich könne man gegen derartige Auftritte im Netz nichts machen. „Die wissen, wie weit sie gehen können“, sagte Moritz. Alle Ermittler der Spezialeinheit seien über Ostern Tag und Nacht in Zivil unterwegs gewesen, sagte Moritz. Festnahmen auf frischer Tat habe es leider nicht gegeben. Unklar ist noch, ob der Anstieg der registrierten Straftaten über Ostern mit dem Festival zusammenhängt oder einfach mit den zusätzlichen Feiertagen, sagte Moritz.

Hauptopfer der auf 300 Mann geschätzten „harten“ Sprayerszene ist die Bahn. Denn Züge sind das Lieblingsziel der Schmierer – weil ihre Werke anschließend durch die Stadt spazieren fahren. „Fame“, „Ruhm“ also, ist die Hauptmotivation der Szene. Deshalb ist legales Sprühen in der Szene auch so verpönt. Die Graffitischmierer haben jetzt schon den Fahrplan der Bahn im Kopf. „Die sprühen, kurz bevor der Zug in der Abstellanlage losfährt“, sagte Chefermittler Moritz. Die Straftäter wissen, dass Bahn und BVG nicht jeden beschmierten Zug schnell durch Reservezüge ersetzen können und kommen deshalb nachts – kurz vor Betriebsbeginn. So waren über Ostern teilweise Waggons unterwegs, die komplett besprüht waren. Fahrgäste konnten nicht aus den Fenstern sehen. Die S-Bahn bedauert, dass derart besudelte Züge zu sehen waren. Vier Millionen Euro müssen jährlich gegen Vandalismus aufgewendet werden.

Anfang April findet in Berlin nun der erste Anti-Graffitikongress statt – unter Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters. Darüber ist Organisator Karl Hennig besonders froh. „Jahrelang wurde das Problem Graffiti totgeschwiegen, jetzt bekommen wir endlich politischen Rückenwind.“

Informationen im Internet:

www.berlin.de/polizei/dir4/

ermgruppegraffiti.html

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