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Frühling: Sag mir, wo die Blumen sind

Wer die ersten Anzeichen des Frühlings sucht, muss noch sehr genau hinschauen. Eine Wanderung durch Berlin.

Wer am Freitag auszog, den Frühling zu suchen, der fand ihn nicht. An der Nahtstelle von weltstädtischem Treiben und idyllischem Naturerleben, zwischen Pariser Platz und Tiergarten, hatten sich Touristen in dunkle Noch-Winter-Kleidung verkrochen und unter Regenschirmen Schutz gesucht. Nicht einmal das Fotografieren machte den üblichen Spaß, weil alle so ernst aus ihren Anoraks guckten. Auch unter den Bäumen im Tiergarten war nichts zu entdecken, was auf eine baldige Ankunft des holden, holden Frühlings deutete. „Fehlanzeige!“, sagte ein Stadtführer, „warum haben Sie es so eilig? Frühlingsanfang ist am 20. März, und bis dahin müssen wir warten. Gehen Sie doch mal auf den Dorotheenstädtischen Friedhof. Da ist er schon.“

In der Chausseestraße empfängt uns tatsächlich das lange vermisste Gezwitscher in den kahlen Kronen der Bäume, und zwischen den Sträuchern an den Gräbern der Prominenten von einst sprießen die ersten zarten Blüten – Schneeglöckchen, Krokusse, Märzenbecher. „Nachtijall, ick hör dir trapsen!“, pflegt der Berliner in so einem Fall zu sagen, „da kommt noch wat hinterher.“ Wenn es nach den Meteorologen geht, dann soll es ja schon morgen passieren mit dem Knospenknall, dem blauen Band und den lauen Lüftchen. Dann holen die Frauen endlich Frühlingshaftes aus dem Schrank, die Familien rüsten sich zum Ausflug in den Zoologischen Garten oder nach Friedrichsfelde zum Tierpark, wo der Lenz hinter Gittern und zwischen Gattern fast hautnah und manchmal nicht ganz jugendfrei zu beobachten ist. Tische und Stühle stehen schon vor den Restaurants und Cafés, am Pariser Platz, am Stutti oder in der Oranienburger Straße. Ewiger Frühling herrscht in den Blumenläden mit den bunten Stiefmütterchen als untrüglichem Zeichen für des Winters Ade. Und natürlich im Botanischen Garten. Oder auf der Internationalen Tourismusbörse, wo man sich schon wie im Hochsommer fühlen kann.

Wir beenden unsere zugegeben ziemlich erfolglose Frühlingssuche wieder am Pariser Platz. Da kommen drei Herren aus dem Adlon und werden von Presse und Publikum zum Tor geschoben: Gorbatschow, Genscher, Wowereit. Beifall für diesen Hauch Völkerfrühling. Lo.

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