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Zieleinlauf. Matthias Schmidt auf dem Weg in sein Wahllokal in einer Grünauer Schule. Erst am Abend wird er erfahren, ob sein Einsatz als SPD-Direktkandidat belohnt wird.

© Stefan Jacobs

Berlin: Schmidt wählt Schmidt

Urlaub aufgebraucht, Luft raus: Der SPD-Direktkandidat in Treptow-Köpenick hat einen langen Weg hinter sich. An dessen Ende wartet schon Gregor Gysi.

Matthias Schmidt fand es ganz normal, dass ihm auf dem Weg zum Wahllokal Matthias Schmidt von jeder zweiten Laterne zulächelte und auf dem Stimmzettel Matthias Schmidt stand. Seit Wochen ist er nur noch Kandidat, zumindest von 7 bis 22 Uhr. Dass er wieder Mensch wird, merkt er am Sonntagvormittag, als ihm der Schädel brummt. Eine Art Wochenendmigräne, nur dass Schmidts Arbeitswoche ungefähr von Februar bis Sonntag früh um fünf ging. In der Nacht hat er nämlich noch potenziellen Wählern Brötchentüten an die Tür gehängt – inklusive SPD-Flyer, Kugelschreiber und einem Slogan in der Art, dass die SPD den Leuten den Weg zum Bäcker erspare, damit sie dafür ins Wahllokal gehen.

Schmidt tritt als Direktkandidat für die SPD in Treptow-Köpenick ausgerechnet gegen Gregor Gysi an. Die Wunderwaffe der Linken gilt auch in der SPD-Hochburg im Berliner Südosten als unbesiegbar. Aber Schmidt wirkt vor seinem Grünauer Wahllokal nicht wie einer, der gerade am Ende eines vergeblichen Weges angekommen ist. Drinnen stehen mindestens zwölf Leute Schlange vor der Urne, was kein schlechtes Zeichen sein kann. Manche tuscheln, manche grüßen. Und über den Wahlkabinen in der alten Schulaula hängt groß die Parole „Gemeinsam geht’s besser“, die ja nahe an „Das Wir entscheidet“ und damit für einen Sozialdemokraten eine schöne Pointe ist.

Die vergangenen Monate beschreibt Schmidt als „Wellenbewegung“: Im Tal fand er sich beispielsweise nach missglückten Podiumsdiskussionen. Aber dann habe er sich gesagt, dass dort von vielleicht 120 Zuhörern 100 ohnehin Stammkunden einer Partei gewesen seien – und schon war er wieder obenauf. Viel mehr Unentschlossene habe er bei seinen Hausbesuchen erreicht: 7000 habe sein Team absolviert, „bei schätzungsweise 5000 war ich selbst dabei“. Viele hätten angenehm überrascht reagiert, als der Laternenpromi leibhaftig vor ihnen stand. Viele hätten allgemeine Sorgen und manche sehr konkrete Fragen formuliert. Gepöbelt habe fast niemand.

Schmidts Frau sagt, sie sei trotzdem froh, dass es erst mal vorbei ist. Jeden Tag 15 Stunden unterwegs und immer erst spätabends mit vollem Kopf zu Hause, das sei schon Wahnsinn, sagt sie. Wenn sie politisch ganz anders ticken würde als er, wäre es wohl schwierig geworden. Auch habe sie länger als er gebraucht, um sich an die Plakate überall zu gewöhnen.

Zeit also für Urlaub nach den Strapazen? „Ich hab keinen mehr“, sagt Schmidt, „Montag ist mein letzter Urlaubstag.“ Danach muss er – mindestens vorerst – zurück an seinen Schreibtisch im Bundesinnenministerium. Der stand übrigens im selben Büro wie der des Staatssekretärs und Sachsen-Anhalter Ex-Ministerpräsidenten Christoph Bergner (CDU). Schmidt sagt, er sei schon im Februar ausgezogen. So sei der Wahlkampf ohne böses Blut oder gar falsche Verdächtigungen verlaufen, die es etwa im Fall durchgestochener Insiderkenntnisse sonst bestimmt gegeben hätte.

Den Sonntagnachmittag verbringt Schmidt bei einer Geburtstagsfeier, bevor er am Abend zum SPD-Kreisverband fährt: „Da gehöre ich in die Mitte derer, die monatelang für mich geschuftet haben.“ Gut 100 seien es gewesen, davon mindestens 30 besonders Aktive. Dank Platz acht kann Schmidt auch über die Liste in den Bundestag gelangen, wenn die SPD insgesamt stark ist. Und wenn es doch vergebens war, muss es keineswegs umsonst gewesen sein: Schmidt ist erst 50, Gysi schon 65. Und in spätestens vier Jahren wird wieder gewählt. Stefan Jacobs

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