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Berlin: Schnee in Berlin: Zu viel des Guten: Berliner kommen beim Schippen nicht nach

Erwischt. Der Kneipenwirt in Tiergarten ist ungehalten.

Erwischt. Der Kneipenwirt in Tiergarten ist ungehalten. "Den ganzen Tag bin ich am Schuften und Sie kommen mir auch noch mit dem Schneefegen." Nein, schippen wird er bestimmt nicht. Dabei ist der Schnee draußen vor der Kneipe mittlerweile festgetreten, glatt wie eine Rutschbahn. Von Streusand oder Granulat keine Spur. Und so so sieht es auch an anderen Orten aus: Viele Hausbesitzer kommen ihrer gesetzlichen Räumpflicht gar nicht oder nicht vollständig nach. Eine gefährliche Angelegenheit.

Die Rechtslage ist eindeutig: Eigentümer sind laut Senatsverwaltung für Inneres grundsätzlich verpflichtet, die Gehwege vor ihrem Grundstück freizuräumen, auf einer Breite von einem Meter, und zwar spätestens bis sieben Uhr morgens oder sobald der Schneeschauer vorüber ist. Wer nicht schippt, riskiert Ärger: "Kommt dann jemand zu Fall und verletzt sich, gibt es unter Umständen eine Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung", sagt der Tiergartener Stadtrat Horst Porath - ganz zu schweigen von möglichen Schadenersatzforderungen durch die Ausgerutschten.

Die Ambulanzen verzeichnen infolge der Glätte bereits mehr Patienten mit Knochenbrüchen als üblich, berichten die Krankenhäuser von Moabit und Prenzlauer Berg. Dennoch wird die Schipperei vielerorts nur als lästige Pflicht aufgefasst: "Der Schnee taut doch sowieso gerade", sagt ein Hauswart in der Lützowstraße achselzuckend. "Da fange ich mit dem Räumen gar nicht mehr an. Ich habe auch so genug zu tun." Ob er sich Sorge wegen der Haftung mache? "Wenn was passiert, bin ich eben dran."

Ein Großteil der Berliner Hauseigentümer hat den Winterdienst ohnehin professionellen Räumdiensten übertragen, doch auch diese sind in den vergangenen Tagen häufig nicht rechtzeitig zur Stelle gewesen. So hat das BSR-Tochterunternehmen Ruwe nach Leserberichten in Mariendorf teils erst mit erheblicher Verspätung und nach Aufforderung durch Anwohner reagiert. Ruwe war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, doch scheinen auch andere Räumdienste ihre Kapazitätsgrenze erreicht zu haben. In Tiergarten erwischte es sogar öffentliche Auftraggeber: Die Umgebung von Grünanlagen wie der am Magdeburger Platz oder dem Spielplatz an der Körnerstraße waren auch Tage nach dem Wintereinbruch kaum passierbar. "Die Firmen kalkulieren jedes Jahr, als ob es gar nicht schneien würde", sagt ein Sachbearbeiter im Bezirksamt.

Zuständig ist hier die Firma Schneebeseitigung Nord, und die kann sich die mangelhafte Schneebeseitigung in Tiergarten nicht erklären. "Unsere Fahrer sind an sich ortskundig und wissen, wo sie räumen müssen", sagt André Müller von der Einsatzleitung. Rechtlich gesehen sind die Hauseigentümer immerhin aus dem Schneider, sobald sie einen Räumdienst beauftragen. "Das ist vertraglich geregelt, wir übernehmen damit auch die Haftung", sagt Müller. Dieser Umstand könnte schon in den nächsten Tagen wieder von Interesse werden: Auch wenn größere Schneefälle bis zum Jahreswechsel wohl ausbleiben, erwartet die Meteorologen schon morgen Nachmittag wieder vereinzelt Schneeregen. "Und besonders in den Nächten müssen wir mit erheblicher Straßenglätte rechnen", sagt Tanja Lamprecht von Meteofax. Insofern muss der Hauswart, der auf Tauwetter hofft, wohl doch noch ran.

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