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Berlin: Schneller für Disziplin sorgen

Jährlich gibt es mehr als 500 Verfahren gegen Beamte. Das konnte lange dauern, jetzt sollen sie in sechs Monaten erledigt sein

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Seit dreieinhalb Jahren sitzt Studienrat Karl-Heinz S. bei vollen Bezügen zu Hause. Eine Elterninitiative des Gymnasiums Steglitz hatte dem Pädagogen vorgeworfen, in einer Publikation zur Wehrmachtsausstellung NS-Verbrechen zu verharmlosen. Ein disziplinarrechtliches Verfahren wurde eingeleitet, doch auch nach drei Jahren ist es nicht abgeschlossen. Kein Einzelfall. Das soll jetzt anders werden: Das Abgeordnetenhaus hat jetzt eine neue Disziplinarordnung für 80000 Berliner Beamte verabschiedet. Ab 1. August werden alle Disziplinarverfahren vereinfacht: Es gibt künftig nur noch ein Verfahren, keine zeitraubende Trennung in Vor- und Hauptverfahren. Damit soll die durchschnittliche Dauer von 15 auf sechs Monate verkürzt werden. Berlin übernimmt das seit zwei Jahren geltende Bundesgesetz – mit einer wichtigen Änderung: Als einziges Bundesland hat Berlin das Widerspruchsrecht gestrichen.

„Jeder, der mit einer disziplinarrechtlichen Entscheidung nicht einverstanden ist, muss jetzt gleich vor Gericht gehen“, sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Bisher konnten Disziplinarverfahren auch erst nach Abschluss eines anhängigen Strafverfahrens eingeleitet werden, beziehungsweise mussten währenddessen ruhen. „Ich erwarte von den Dienstbehörden, dass sie künftig schon unmittelbar nach der erstinstanzlichen Entscheidung das Disziplinarverfahren fortführen und nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens warten“, sagte Körting. Beamte, die Geld unterschlagen haben, sollten generell kündbar sein. „Wenn es nicht gerade ein minderschwerer Fall ist, halte ich die fristlose Kündigung für gerechtfertigt.“

Die meisten Verfahren laufen gegen Beamte als Folge eines Strafverfahrens aus dem Straßenverkehr wie zum Beispiel Trunkenheit am Steuer oder Fahrerflucht. Ermittelt wird auch bei Verdachts der Unterschlagung, wegen Diebstahls, sexueller Übergriffe, mangelhafter Dienstausübung, Betrugs oder Körperverletzung im Amt.

Beamte, die gegen ein Disziplinarverfahren Widerspruch einlegen wollen, müssen zum Verwaltungsgericht, kritisierte gestern Helge Lehner vom Hauptpersonalrat des Landes. Bislang konnten Beamte innerhalb ihrer Behörde Widerspruch einlegen. „Das führt zu einer weiteren Belastung der Gerichte“, prophezeite Lehner. Nach Schätzung der Verwaltung gibt es etwa 500 Disziplinarverfahren pro Jahr – die meisten gegen Polizisten: 352 waren es im Jahr 2003. Weil Polizisten den intensivsten Kontakt mit den Bürgern haben, sind sie auch am häufigsten Vorwürfen und Anzeigen ausgesetzt. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) glaubt der Prophezeiung Körtings nicht, dass sich die Verfahren beschleunigen. Denn künftig könne sich das Verfahren durch noch mehr Instanzen hinziehen, sagt der GdP-Justiziar Joachim Tetzner.

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